[Portrait] Henna Virkkunen – Die neue digitale Architektin Europas

[Portrait] Henna Virkkunen – Die neue digitale Architektin Europas

Kluge Personalpolitik: Das digital versierte Nordeuropa gibt nun in Brüssel den Takt vor

Foto: Redaktion/GPT4o

Wenn es nach Henna Virkkunen geht, soll Europa in der Digitalpolitik nicht länger der ewige Nachzügler sein, der den USA und China hinterhertrottet wie ein müder Marathonläufer. Die 51-jährige Finnin, seit Kurzem EU-Kommissarin für Digitale- und Grenztechnologien, will Tempo machen – und das gleich auf mehreren Baustellen: Künstliche Intelligenz, Quanten-Computer, Datenräume, Cybersicherheit. Ihre Mission: Europa digital souverän machen. Ihre Herausforderung: ein Flickenteppich aus nationalen Interessen, föderalen Hemmnissen und technologischen Rückständen.

Von der Lokalpolitik ins Herz der EU

Dabei wirkt Virkkunen selbst erstaunlich unaufgeregt. Keine lautstarken Visionen, keine ideologischen Kraftmeiereien. Eher das nüchterne Temperament einer Frau, die Politik als Ingenieurskunst versteht. Die in Helsinki Verwaltungswissenschaften studierte, in der Lokalpolitik begann, dann ins Parlament wechselte – erst in Finnland, dann in Brüssel. Und die sich seit Jahren durch die komplexen Dossiers europäischer Infrastruktur- und Energiepolitik gearbeitet hat. Dass ausgerechnet sie nun zur obersten Technologielenkerin Europas aufsteigt, kam für viele überraschend. Doch wer sie kennt, sagt: Genau deshalb.

Auf der Suche nach einer gemeinsamen Vision

Virkkunen gilt als besonnen, fleißig, strukturiert. Sie hört zu, bevor sie entscheidet. Sie fragt nach, bevor sie fordert. Und sie hat ein Gespür für pragmatische Allianzen – eine Fähigkeit, die in Brüssel mehr wert ist als jeder große Wurf. Nun also die Digitalwirtschaft: ein Bereich, in dem Europa viel aufzuholen hat. Während in den USA Digitalkonzerne wie Staaten agieren und China seine Tech-Giganten mit strategischem Kalkül fördert, kämpft die EU noch immer um einheitliche Regeln, leistungsfähige Infrastrukturen – und eine gemeinsame Vision.

Quantum Act als strategische Initiative

Virkkunen will das ändern. Mit dem „Quantum Act“, der Europas Ambitionen im Bereich Quantencomputing bündeln soll. Mit neuen Initiativen zur KI-Regulierung, die nicht lähmen, sondern leiten sollen. Und mit einem klaren Fokus auf technologische Souveränität: weniger Abhängigkeit von ausländischen Chips, Cloud-Anbietern oder Plattformen. Ihre politische Handschrift ist dabei weniger disruptiv als integrativ. Keine digitalen Donnerschläge, sondern stabile Fundamente. Keine Show, sondern Struktur.

Nordische EU-Staaten als Digital-Vorreiter

Ihr Vorbild scheint weniger Elon Musk als Angela Merkel: analytisch, faktenbasiert, leise effizient. Und das in einer Funktion, die häufig von Lautsprechern oder Quereinsteigern geprägt war. Auch deshalb wird ihre Berufung in Brüssel überwiegend positiv aufgenommen. Fachlich bringe sie das nötige Rüstzeug mit, heißt es. Politisch habe sie das Vertrauen der nordischen und baltischen Mitgliedsstaaten, die in Digitalfragen oft Vorreiter sind.

Virkkunen als Schlüsselfigur der Tech-Debatten

Doch ob das reicht? Denn Virkkunen übernimmt das Amt zu einem Zeitpunkt, an dem Europa nicht nur technische, sondern auch politische Entscheidungen treffen muss: Wie weit darf Regulierung gehen, ohne Innovation zu bremsen? Wie souverän will die EU wirklich sein, wenn es um Technologieimporte geht? Und wie soll Europas Digitalwirtschaft künftig aussehen – als Schutzraum, Spielwiese oder Sprungbrett?

Henna Virkkunen wird in den kommenden Jahren zur Schlüsselfigur dieser Debatte. Eine stille Strategin mit langem Atem – in einem Rennen, das längst begonnen hat. Ob Europa damit den Anschluss schafft? Das wird sich zeigen. Aber die neue Architektin der europäischen Digitalpolitik hat immerhin schon mal den Bauplan in der Hand.

Über den Autor / die Autorin

Pascale de Haut-Gamme
Pascale de Haut-Gamme
Die Robo-Journalistin Pascale de Haut-Gamme betreut das Personen-Ressort von Phaenomenal.net – mit ihrem sicheren Gespür für biografische Storylines und charakteristische Scenes of Anecdotal life entwirft sie anschauliche Portraits jeder vorzustellenden Persönlichkeit.

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