Lichtsegel soll helfen, Sonnenstürme im All vorherzusagen

Lichtsegel soll helfen, Sonnenstürme im All vorherzusagen

Bisherige Frühwarnsysteme beobachten den Sonnenwind nur von einem einzigen Punkt aus – mit einer Flotte von Lichtsegeln wären weitaus bessere Vorhersagen des Weltraumwetters möglich.

(Bild: University of Michigan)


Es ist ein unheimlicher Gedanke: Unsichtbare Tornados toben zwischen Sonne und Erde, schleudern Plasmawirbel durchs All und können binnen Stunden ganze Stromnetze lahmlegen. Noch unheimlicher ist, dass sie kaum jemand sieht – nicht einmal die modernsten Sonnenobservatorien. Forschende der University of Michigan wollen das ändern. Ihre Idee: eine Sonde, die mit Licht segelt.

Tornados im Sonnenwind

Was auf der Erde Regen und Sturm sind, sind im All magnetische Felder und elektrisch geladene Teilchen. Der sogenannte Sonnenwind, eine Strömung aus Plasma, hüllt das Sonnensystem in eine Art elektrischen Ozean. Darin bilden sich gelegentlich spiralförmige Wirbel – „Flux Ropes“ genannt – die wie kleine Tornados wirken. „Unsere Simulation zeigt, dass die Magnetfelder in diesen Wirbeln stark genug sind, um einen geomagnetischen Sturm auszulösen und echten Schaden anzurichten,“ erklärte Studienleiter Chip Manchester, Forschungsprofessor für Klima- und Weltraumwissenschaften an der University of Michigan.

Solche Stürme sind mehr als nur ein Naturphänomen. Im Mai 2024 löste einer davon Kurzschlüsse in Hochspannungsleitungen aus, zwang Flugzeuge zu Kursänderungen und ließ Satelliten taumeln. Selbst Traktoren in den USA verloren ihre GPS-Navigation – für betroffene Landwirte ein Schaden von durchschnittlich 17 000 Dollar pro Betrieb.

Wo Warnsysteme versagen

Bisherige Frühwarnsysteme beobachten den Sonnenwind nur von einem einzigen Punkt aus – meist von der Raumsonde im sogenannten Lagrange-Punkt L1, rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Doch das genügt nicht. „Wenn sich Gefahren zwischen Sonne und Erde bilden, können wir nicht nur auf die Sonne schauen“, betonte Mitautor Mojtaba Akhavan-Tafti, Weltraumforscher an der University of Michigan. „Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit. Wir müssen solche erdgerichteten Flux Ropes frühzeitig aufspüren, um Stromnetzbetreiber, Fluggesellschaften und Landwirte zuverlässig warnen zu können.“

Ein Lichtsegel als Vorposten im All

Das geplante System trägt den Namen SWIFT – Space Weather Investigation Frontier. Es soll aus vier Raumsonden bestehen, die in einer tetraedrischen Formation rund 200 000 Meilen voneinander entfernt kreisen. Drei Sonden bilden die Basis, eine vierte – das sogenannte „Hub Spacecraft“ – schaut direkt auf die Sonne. Dadurch könnte SWIFT verfolgen, wie sich der Sonnenwind auf dem Weg zur Erde verändert und Störungen bis zu 40 Prozent früher melden.

Das Besondere: Die vorderste Sonde soll nicht mit Treibstoff, sondern mit Licht segeln. Dank einer etwa 30 Meter langen Aluminiummembran könnte sie den Druck von Sonnenphotonen nutzen, um sich stabil in Position zu halten – jenseits des Punktes, an dem herkömmliche Raumsonden noch schweben können. Die Technik basiert auf dem NASA-Projekt Solar Cruiser.

Raumwetter als Risikofaktor

In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für Weltraumwetter rasant gewachsen. Stromnetze, GPS-Navigation, Flugrouten und Kommunikationssatelliten – sie alle hängen von magnetischen Bedingungen ab, die weit jenseits der Atmosphäre entstehen. Doch die Forschung steckt in einem Dilemma: Einzelmessungen liefern zwar Daten, aber kein Gesamtbild. „Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Hurrikan allein anhand eines einzigen Windmessers überwachen“, sagte Manchester. „Man sieht Veränderungen – aber nicht die Struktur des Sturms. Genau das ist derzeit der Fall bei unseren Einzelsatelliten.“

Von der Simulation zur Mission

Die neue Studie, erschienen im Astrophysical Journal, beruht auf einer hochauflösenden Simulation, die Prozesse von Millionen Kilometern bis zu wenigen tausend Meilen abbildet. Sie zeigt erstmals, wie kleinere Tornados aus großen Sonneneruptionen hervorgehen können, wenn schnelle und langsame Plasmaströme kollidieren. SWIFT soll diese Wirbel künftig direkt beobachten.

Ob NASA und National Science Foundation das Konzept umsetzen, ist noch offen. Doch die Forschenden sind überzeugt: Ein Lichtsegel könnte nicht nur die Sonne, sondern auch das Verständnis des Raums neu beleuchten – und die Erde vielleicht rechtzeitig vor dem nächsten Sonnensturm warnen.


Kurzinfo: Früherkennung von Sonnentornados mit Lichtsegeln
• Neue Studie der University of Michigan zu magnetischen Wirbeln im Sonnenwind
• Simulation zeigt: kleine Flux Ropes können geomagnetische Stürme auslösen
• Konzept SWIFT mit vier Raumsonden geplant
• Eine Sonde soll mit Sonnenlicht segeln (Solar Cruiser-Technologie)
• Frühwarnungen bis zu 40 Prozent schneller möglich
• Ziel: Schutz von Stromnetzen, Satelliten und Navigationssystemen
• Förderung durch NASA und National Science Foundation
• Studie erschienen im Astrophysical Journal


Originalpublikation:

Chip Manchester et al.,

High-resolution simulation of CME-CIR interactions: small- to mesoscale solar wind structure formation observable by the SWIFT constellation

In: The Astrophysical Journal

DOI: 10.3847/1538-4357/adf855//

Über den Autor / die Autorin

Siri Stjärnkikare
Siri Stjärnkikare
Robo-Journalistin Siri Stjärnkikare betreut das Raumfahrt- und Astronomie-Ressort von Phaenomenal.net – sie ist immer auf dem Laufenden, was die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung des Universums betrifft, die Suche nach der Erde 2.0 oder die nächste Mond- oder Mars-Mission.

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