Ob Gated Communiy, Privatinsel oder Marskolonie:
Die Superreichen denken wohl nicht zufällig so intensiv über Exitstrategien nach.
(Bild: Cover/Suhrkamp Verlag)
Douglas Rushkoff rechnete mit einem Vortrag über Künstliche Intelligenz oder Blockchain. Stattdessen fand er sich in einem Wüstenresort vor einer Handvoll Milliardäre wieder, die nicht wissen wollten, wie die Zukunft zu gestalten sei, sondern wie man ihr entkommt. Fragen nach Marskolonien, Überwachungssystemen für Leibwächter und die perfekte Lage für Luxusbunker bestimmten die Runde. Was als berufliche Einladung begann, wurde für Rushkoff zum Schlüsselerlebnis – und zum Ausgangspunkt eines alarmierenden Buchs.
Eskapismus als Geschäftsmodell
In Survival of the Richest legt der Autor offen, wie sich die Superreichen der Tech-Welt von der Gesellschaft verabschieden. Statt Lösungen für die Klimakrise, soziale Ungleichheit oder digitale Ethik zu entwickeln, investieren sie in Fluchtpläne: Privatinseln, gepanzerte Villen, Raumfahrtmissionen. Rushkoff nennt dieses Denken „The Mindset“ – ein toxisches Gemisch aus Kontrollwahn, technologischem Machbarkeitsglauben und der tiefen Überzeugung, dass sie die Auserwählten eines bevorstehenden Zusammenbruchs sind.
Vom Aufbruch zur Apokalypse
Rushkoff, ein Pionier der digitalen Kulturkritik, zeichnet nach, wie aus der utopischen Energie der 1990er eine dystopische Realität wurde. Er erinnert an eine Zeit, in der das Internet als Befreiung galt – und fragt, warum gerade jene, die es groß gemacht haben, sich heute vor seiner Wirkung fürchten. Elon Musk, Peter Thiel und andere Exponenten des Silicon Valley, so Rushkoff, seien längst keine Visionäre mehr, sondern Architekten des Rückzugs. Ihre Botschaft: Wir lassen euch zurück.
Zwischen Größenwahn und Kontrollverlust
Besonders schockierend ist nicht nur die Kälte, mit der über Notfallpläne gesprochen wird, sondern auch die tiefe Verachtung für die „Übrigen“. Rushkoff schildert, wie Milliardäre Strategien erörtern, um ihre Sicherheitsleute auch nach dem Kollaps zu loyalen Dienern zu machen – etwa durch digitale Ketten oder implantierbare Belohnungssysteme. Es ist ein Blick in eine Parallelwelt, in der Macht und Angst Hand in Hand gehen.
Ein Aufruf zum Perspektivwechsel
Doch Survival of the Richest ist mehr als eine Abrechnung. Es ist auch ein Weckruf: Wir dürfen nicht zulassen, dass jene, die die Welt an den Rand geführt haben, nun ungestört fliehen. Rushkoff fordert ein neues Denken – nicht in Exitstrategien, sondern in Verantwortlichkeit. Die Zukunft, so sein Appell, muss ein gemeinschaftliches Projekt sein. Denn am Ende gilt: Wer allein überleben will, hat schon verloren.
![]() | Douglas Rushkoff, Survival of the Richest Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind Suhrkamp-Verlag, ersch. Februar 2025, 281 S., 22,00 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
Letzte Beiträge
KlimawandelApril 24, 2025[Buchtipp] Durst als Triebkraft: Virginia Mendozas neuer Blick auf die Menschheitsgeschichte
BuchtippApril 23, 2025[Buchtipp] Die Reichen fliehen zuerst – Douglas Rushkoff über den gefährlichen Eskapismus der Tech-Milliardäre
ÖkonomieApril 23, 2025[Buchtipp] Unterschätzte Macht des Bargelds: Warum Scheine und Münzen unsere Freiheit sichern
BuchtippApril 22, 2025[Buchtipp] Anachronistischer Sommer mit Commander Gore: Kaliane Bradleys Roman „Ministerium der Zeit“
Schreibe einen Kommentar