Grüner Stahl, lokal & global

Grüner Stahl, lokal & global

Dank neuer Technik könnte man Eisenerze mithilfe von Wasserstoff klimafreundlich direkt in Australien verhütten – und danach in Deutschland zu Stahl veredeln.

(Bild: BAM)


Bei der Stahlproduktion könnten weit entfernte Kontinente zukünftig Hand in Hand arbeiten: In Australien wird das Eisenerz verhüttet, in Deutschland soll es zu klimafreundlichem Stahl veredelt werden. Mit dem Projekt SuSteelAG (Sustainable Steel from Australia and Germany) beginnen Deutschland und Australien eine internationale Partnerschaft, die nicht nur technischen Fortschritt verspricht – sondern auch eine neue Form globaler Industriekooperation.

Vom Problemkind zur Schlüsselbranche

Die Stahlindustrie ist einer der größten CO₂-Verursacher der Welt – rund sieben Prozent der globalen Emissionen entfallen auf sie. Der Grund: Die konventionelle Verhüttung nutzt Kohlenstoff, der beim Prozess als CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Wasserstoff hingegen kann das Eisen ebenfalls aus dem Erz lösen – dabei entsteht lediglich Wasserdampf. Klingt einfach, ist es aber nicht. „Die bisher etablierten Verfahren funktionieren nur mit hochwertigen Erzen“, erklärt Christian Adam, Projektleiter bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). „Wir wollen ein Verfahren entwickeln, das auch minderwertige Erze nutzen kann – und damit den Kreis der verfügbaren Rohstoffe deutlich erweitern.

Drehrohrofen statt Schachtofen

Der technische Kniff liegt im Ofen: Während gängige Anlagen auf gasdurchströmte Schachtofenverfahren setzen, erprobt das Projekt einen sogenannten Drehrohrofen. Dieser erlaubt es, auch feinkörnige und bislang schwer nutzbare Eisenerze zu verarbeiten – ohne aufwendige Vorbehandlung und Pelletierung. Der Einsatz von Wasserstoff direkt vor Ort in Australien, wo er aus erneuerbarem Strom vergleichsweise günstig produziert werden kann, soll die Klimabilanz zusätzlich verbessern.

Wenn wir den Reduktionsprozess dorthin verlagern, wo sowohl Erz als auch grüner Wasserstoff vorhanden sind, gewinnen alle“, sagt eine Sprecherin der BAM. Die fertigen Eisenträger lassen sich anschließend energieeffizient nach Deutschland transportieren – wo sie zu grünem Stahl weiterverarbeitet werden sollen.

Neue Wertschöpfungsketten statt alter Abhängigkeiten

Langfristig geht es nicht nur um Technik, sondern auch um Strategie: Das Projekt zielt auf den Aufbau einer nachhaltigen bilateralen Wertschöpfungskette. Australien liefert das „grüne Eisen“, Deutschland die industrielle Weiterverarbeitung. Damit könnten die beiden Länder gemeinsam eine Schlüsselrolle bei der globalen Energiewende spielen.

Das Konsortium umfasst renommierte Partner wie die RWTH Aachen, das Fraunhofer IST und die Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH. Unterstützt wird SuSteelAG vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 4,5 Millionen Euro im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms.

Nachhaltigkeit in Zahlen

Im Fokus steht auch die Bewertung der gesamten Prozesskette: Eine Lebenszyklusanalyse (LCA) soll zeigen, wo der größte Klimanutzen entsteht – und wo noch Optimierungspotenziale liegen. Verschiedene australische Eisenerzqualitäten mit einem Gehalt von 55 bis 70 Prozent Eisen werden dafür getestet. Auch Wasserverbrauch und die Möglichkeit einer Wasserkreislaufführung in der Elektrolyse spielen eine zentrale Rolle.

Vom Labor in die Welt

Noch steht das Verfahren am Anfang. Im Labormaßstab konnte die BAM das Prinzip bereits demonstrieren. Nun geht es um den Technologietransfer in den industriellen Maßstab. „Unsere Vision ist ein neuer Standard für grünen Stahl – robust, skalierbar und global vernetzt“, so Christian Adam. Ob diese Vision Wirklichkeit wird, hängt von vielen Faktoren ab. Aber der erste Schritt ist gemacht: mit einem Ofen, der anders denkt – und einer Partnerschaft, die weiter reicht als ein Schiffscontainer voll Erz.


Projekt SuSteelAG im Überblick

Projektname:
SuSteelAG – Sustainable Steel from Australia and Germany

Ziel:
Entwicklung eines innovativen Verfahrens zur nachhaltigen Stahlproduktion durch Direktreduktion von minderwertigem Eisenerz mit grünem Wasserstoff.

Hintergrund:
Die Stahlindustrie verursacht etwa sieben Prozent der globalen CO₂-Emissionen. Herkömmliche Verfahren basieren auf Kohle als Reduktionsmittel. Grüner Wasserstoff bietet eine emissionsarme Alternative, wird bislang aber nur für hochwertige Erze genutzt.

Technologischer Ansatz:

  • Verzicht auf Schachtöfen: Statt aufwändiger Vorbehandlung durch Pelletierung soll ein Drehrohrofen-Verfahren entwickelt werden, das auch feine und niedrigqualitative Erze direkt verarbeiten kann.
  • Standortlogik: Reduktionsprozess in Australien, wo sowohl Eisenerz als auch günstiger grüner Wasserstoff verfügbar sind.
  • Transportoptimierung: Reduziertes „grünes Eisen“ wird nach Deutschland transportiert und dort weiterverarbeitet – emissionsärmer als Wasserstoff-Importe.
  • Nachhaltigkeitsanalyse: Vollständige Bewertung der Umwelt- und Kosteneffekte mittels Lebenszyklusanalysen (LCA/LCC).

Wissenschaftliche Leitung:
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)


Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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