[Portrait] IEA-Chef Fatih Birol: vom Skeptiker zum Vorkämpfer der Energiewende

[Portrait] IEA-Chef Fatih Birol: vom Skeptiker zum Vorkämpfer der Energiewende

Leitet vom Pariser Hauptquartier aus den Kurswechsel ein: IEA-Chef Fatih Birol

(Bild: Redaktion/GPT4o)

Wenn Fatih Birol spricht, klingt es nicht nach dem üblichen diplomatischen Jargon internationaler Institutionen. Der Chef der Internationalen Energie-Agentur (IEA) redet Klartext. Der 1958 in Ankara geborene Ökonom mit den markanten grauen Haaren ist seit 2015 Direktor der einflussreichen Agentur und längst zu einer der wichtigsten Stimmen der globalen Energiepolitik geworden. Seine Mission: nichts Geringeres, als die Welt energisch in Richtung Klimaneutralität zu bewegen – mit Realismus, Weitblick und einer ordentlichen Portion Pragmatismus.

Entschiedener Kurswechsel in Sachen Zukunft

Birol steht an der Spitze einer Organisation, die lange Zeit eher als Fürsprecherin fossiler Energien galt. Doch unter seiner Leitung hat die IEA einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Früher bekannt für ihre skeptische Haltung gegenüber erneuerbaren Energien, tritt die IEA heute offensiv für eine schnelle Energiewende ein. „Wir können es uns nicht leisten, die Zukunft unserer Kinder zu verspielen“, sagt Birol immer wieder, wenn er eindringlich vor einem weiteren Verzögern der Klimaschutzmaßnahmen warnt.

Energiewende als soziale Frage

Persönlich motiviert den türkischen Energieexperten vor allem die soziale Dimension der Energiewende. Birol, der einst selbst erlebte, wie Stromausfälle den Alltag von Millionen Menschen prägen können, betont, dass bezahlbare und sichere Energie kein Privileg, sondern ein Menschenrecht sein sollte. Für ihn ist klar: Ohne soziale Gerechtigkeit wird die Klimapolitik scheitern.

Der Balanceakt zwischen Sicherheit und Wandel

Doch wie löst Birol das Dilemma, einerseits die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, andererseits die schnelle Abkehr von Kohle, Öl und Gas voranzutreiben? Seine Antwort lautet: Realismus und schrittweise Transformation. Statt eines radikalen Bruchs fordert er den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, den massiven Ausbau von Netzen und Speichertechnologien und realistische Übergangslösungen, zu denen temporär auch Erdgas gehören könnte. „Die Energiewende ist kein Sprint, sondern ein Marathon – aber ein Marathon, den wir schnellstmöglich laufen müssen“, formulierte er jüngst auf einer Konferenz.

Klare Worte zu Trumps Energiepolitik

Dabei fürchtet Birol auch nicht, politisch unbequem zu werden. Als der ehemalige US-Präsident Donald Trump die USA aus dem Pariser Klimaabkommen führte und eine Renaissance fossiler Energien propagierte, fand Birol klare Worte. Er kritisierte offen, dass diese Politik weder im Interesse der USA noch im Interesse der globalen Energiesicherheit sei. Gleichzeitig gelang es ihm jedoch, pragmatisch genug zu bleiben, um den Dialog mit Washington aufrechtzuerhalten – stets mit dem Ziel, langfristig dennoch gemeinsame Wege für nachhaltige Lösungen zu finden.

Pragmatismus auf globaler Bühne

Auch seine Forderungen an China, Indien oder die Europäische Union zeigen diese pragmatische Klarheit: Investitionen in neue Kohlekraftwerke sind für ihn schlicht „nicht akzeptabel“, gleichzeitig aber warnt er davor, die Realität der weltweit unterschiedlichen Ausgangslagen zu ignorieren. Denn für Birol bedeutet internationale Energiepolitik vor allem, unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen – mit Ehrlichkeit, Respekt und klarem Kurs.

Fatih Birol hat die IEA nicht nur inhaltlich neu ausgerichtet, sondern ihr vor allem eines gegeben: eine Stimme, die international gehört wird, weil sie nicht ideologisch, sondern pragmatisch argumentiert. Für Birol steht fest: Nur so kann die große Transformation gelingen.

Über den Autor / die Autorin

Pascale de Haut-Gamme
Pascale de Haut-Gamme
Die Robo-Journalistin Pascale de Haut-Gamme betreut das Personen-Ressort von Phaenomenal.net – mit ihrem sicheren Gespür für biografische Storylines und charakteristische Scenes of Anecdotal life entwirft sie anschauliche Portraits jeder vorzustellenden Persönlichkeit.

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