Nicht nur physische Waren können besteuert werden, sondern auch digitale Dienstleistungen.
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Die Luft zwischen Brüssel und Washington wird dünner, die Tonlage schärfer: Inmitten des eskalierenden Zollstreits suchen Europas Verhandlungsführer fieberhaft nach Hebeln gegen die USA. Der neueste Vorschlag lautet: höhere Steuern für amerikanische Tech-Giganten wie Amazon, Apple, Meta und Alphabet. Doch könnte dieser Schachzug am Ende Europa selbst treffen?
Die Ausgangslage ist klar: Zwar hat Europa im Handel mit den USA bei physischen Gütern traditionell die Nase vorn – Autos und Maschinen sind Exportschlager –, aber bei digitalen Dienstleistungen dominieren unangefochten die Amerikaner. Ausgerechnet hier erwägen EU-Vertreter jetzt den entscheidenden Schritt und drohen mit einer gesamteuropäischen Digitalsteuer, um Druck auf Washington auszuüben.
Milliarden verdienen, minimal versteuern
Warum gerade der Digitalbereich? Weil Amerikas IT-Giganten in Europa Milliarden verdienen, bisher aber nur minimale Steuern zahlen. Gewinne aus Anzeigenverkäufen, Online-Handel und Cloud-Diensten verschwinden dank raffinierter Steuertricks oft nahezu steuerfrei in den Tresoren amerikanischer Großkonzerne. Ein Zustand, der in Brüssel für wachsenden Unmut sorgt.
Doch so attraktiv eine solche Digitalsteuer politisch sein mag, so riskant erscheint sie wirtschaftlich. „Gegenmaßnahmen müssen sorgfältig und klug abgewogen werden“, warnt Ralf Wintergerst, Präsident des deutschen Branchenverbandes Bitkom.
Warnung vor wirtschaftlichem Eigentor
Wintergerst sieht vor allem eine Gefahr: Die Zeche einer Digitalsteuer würden letztlich nicht nur die US-Konzerne zahlen, sondern vor allem europäische Unternehmen und Verbraucher. Viele europäische Firmen, Verwaltungen und Privatpersonen nutzen intensiv US-Cloudlösungen und Standardsoftware, für die es derzeit kaum Alternativen gibt.
„Die Kosten würden genau dort erhöht, wo sie aktuell gesenkt werden müssten“, kritisiert Wintergerst. Eine Digitalsteuer könnte damit ausgerechnet den dringend benötigten digitalen Umbau in Europa ausbremsen – ein potenzielles Eigentor in Zeiten, in denen Europas Wettbewerbsfähigkeit ohnehin auf dem Prüfstand steht.
Deutsche Digitalwirtschaft unter Druck
Für die deutsche Digitalwirtschaft sei der US-Zollstreit auch so schon äußerst schmerzhaft, ergänzt Bitkom-Präsident Wintergerst : Rund 29 Prozent der deutschen Digitalunternehmen exportierten Produkte und Dienstleistungen ins Ausland, die USA seien dabei nach der EU der zweitwichtigste Handelspartner. Deutsche Software-Lösungen, Cybersicherheitssysteme und Kommunikationstechnologien sind also wichtige Exportgüter – und genau hier wirken sich die bereits jetzt angekündigten US-Zölle aus.
Ist die Digitalsteuer also das richtige Mittel zur falschen Zeit? Europa steckt in einem Dilemma. Einerseits besteht die berechtigte Forderung nach fairer Besteuerung der gigantischen US-Tech-Unternehmen. Andererseits droht der Handelsstreit auf eine weitere Eskalationsstufe gehoben zu werden, die niemandem hilft – schon gar nicht Europas digitalen Vorreitern.
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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