Ausgerechnet Andøya: Wie eine norwegische Insel deutsche Raumfahrt-Visionen beflügelt

Ausgerechnet Andøya: Wie eine norwegische Insel deutsche Raumfahrt-Visionen beflügelt

Leider nur bis zur 30. Sekunde erfolgreich: Spectrum-Start am 30. März 2025 in Andøya

(Bild: isaraerospace.com)

Zwischen schroffen Felsen, Nordlichtern und dem ewigen Wind der Lofoten erhebt sich ein Bauwerk, das so gar nicht in die nordnorwegische Idylle passen will: der Andøya Spaceport, Europas nördlichster Weltraumbahnhof. Hier, keine 300 Kilometer vom Polarkreis entfernt, wo sonst eher Papageitaucher als Pioniere unterwegs sind, will Europa in die Umlaufbahn. Und mittendrin: ein Start-up aus München, das sich anschickt, ein neues Kapitel der kontinentalen Raumfahrtgeschichte zu schreiben – Isar Aerospace.

Mission: Unabhängigkeit von Cape Canaveral & Co.

Der Andøya Spaceport ist mehr als eine weitere Startrampe. Er ist das Sinnbild für Europas Drang nach technologischem Aufbruch – und nach Unabhängigkeit. Denn bislang sind die EU-Staaten bei Raketenstarts stark auf amerikanische, russische oder neuerdings indische Dienste angewiesen. Das soll sich ändern. Und der Weg dorthin führt – ausgerechnet – über eine dünn besiedelte Inselgruppe, die bislang eher für Walbeobachtung als für Weltraumambitionen bekannt war.

Mini-Satelliten als Marktlücke

Isar Aerospace wurde 2018 von Luft- und Raumfahrtstudenten gegründet. Ihr Ziel: Satellitenstarts bezahlbar und flexibel machen – mit selbst entwickelten Kleinträger-Raketen namens Spectrum, die statt hunderter Tonnen nur wenige hundert Kilogramm Fracht befördern. Der Markt dafür ist riesig: Tausende Kleinsatelliten sollen in den kommenden Jahren für Klimabeobachtung, Kommunikation und Navigation in den Orbit gebracht werden. Wer sie schnell und günstig ins All bringt, sichert sich ein Milliarden-Geschäft.

Erster Test im März 2025 sollte Geschichte schreiben

Genau das versucht Isar Aerospace – und testete Ende März 2025 auf Andøya erstmals eine voll betriebsfähige Rakete unter realen Bedingungen. Der Start hätte ein Meilenstein werden sollen: der erste orbitalfähige Raketenstart eines privaten deutschen Unternehmens, aus europäischem Boden, in eine echte Umlaufbahn. Doch der Countdown endete mit einem Rückschlag. Der Test scheiterte wenige Sekunden nach dem Start, die Rakete stürzte ins Meer. Die genaue Ursache ist noch unklar, eine Untersuchung läuft.

Schnelles Scheitern gleich steile Lernkurve

Trotzdem sprechen die Verantwortlichen von einem „wichtigen Schritt“ – nicht aus Trotz, sondern weil der Test wichtige Daten lieferte. Und weil Misserfolge in der Raumfahrt eher Regel als Ausnahme sind: Auch SpaceX und andere Pioniere hatten Fehlschläge zu Beginn. Entscheidend ist, dass Andøya als Standort funktioniert – logistisch, technisch und politisch. Und das tut er offenbar. Die norwegische Regierung unterstützt das Projekt ebenso wie die europäische Raumfahrtagentur ESA, die den Ausbau alternativer Startplätze in Europa forciert.

Nächster Start in Andøya ist schon geplant

Für Isar Aerospace steht viel auf dem Spiel. Das Unternehmen hat sich Investitionen von über 300 Millionen Euro gesichert, unter anderem von Porsche, HV Capital und Lakestar. Die Erwartungen sind hoch, der Zeitdruck ebenso – denn Konkurrenz aus Großbritannien und Frankreich schläft nicht. Doch das Team bleibt kämpferisch. Schon in wenigen Monaten soll der nächste Testflug folgen – wieder von Andøya.

Vielleicht liegt gerade darin die besondere Symbolkraft dieses Ortes: Im rauen Norden, fernab der Tech-Metropolen, zeigt sich, ob Europas Raumfahrt wirklich abheben kann. Zwischen Fjorden und Flugrouten wird Zukunft geschrieben – auch wenn sie manchmal erst mal ins Wasser fällt.

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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