Bei einer Bleiche werden die in Symbiose mit den Korallen lebenden Algen abgestoßen – Grund dafür ist z.B. Hitzestress.
(Bild: Ocean Image Bank)
Es ist eine stille Katastrophe, die sich unter der Wasseroberfläche abspielt, aber dadurch nicht weniger dramatisch: Wo einst leuchtende Farben tropischer Korallenriffe die Meere zum Glühen brachten, dominieren heute immer häufiger bleiche, leblose Strukturen. Derzeit sind sogar 84 Prozent der weltweiten Korallenriffe von der schwersten globalen Korallenbleiche betroffen, warnt die International Coral Reef Initiative (ICRI), ein Zusammenschluss von mehr als 100 Nationen und Organisationen.
Wärmestress in nie dagewesenem Ausmaß
Seit Januar 2023 haben rekordhohe Meerestemperaturen in 82 Ländern, Territorien und Wirtschaftsräumen zu massiven Schäden geführt. Der Vergleich mit früheren Ereignissen macht die Dimension deutlich: Während 1998 noch 21 Prozent der Riffe betroffen waren, kletterte die Zahl in der dritten globalen Bleiche 2014–2017 bereits auf 68 Prozent. Heute, bei der vierten, liegt sie bei 84 Prozent – ein beispielloser Wert.
„Wir wissen, dass sich die Korallenbleiche beschleunigt, weil sich unsere Ozeane erwärmen – angetrieben durch die fortgesetzte Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen“, warnt Surangel Whipps Jr., Präsident der Inselnation Palau. Er mahnt: „Als Atollnation sehen wir unsere Riffe beschädigt und unsere Lebensgrundlagen bedroht. Wir müssen dringend die Ära der fossilen Brennstoffe beenden und zu einer gerechten, nachhaltigen Zukunft mit sauberer Energie übergehen. Unsere Ozeane und die Gemeinschaften, die von ihnen abhängen, können nicht länger warten.“
Ein ökologischer Kollaps mit schweren Folgen
Korallen sind nicht nur ein Naturwunder, sondern auch ein wirtschaftliches Rückgrat: Ein Drittel aller bekannten Meeresarten lebt in Riffen, ein milliardenschwerer Wirtschaftsfaktor für Nahrung, Tourismus und Küstenschutz hängt von ihnen ab. Laut Schätzungen könnten Klimaschäden an Korallen bis 2100 jährlich 500 Milliarden Dollar kosten. Schon heute ist die lebende Korallenbedeckung seit den 1950er Jahren um etwa die Hälfte zurückgegangen.
„Es gibt viele Gründe für das Sterben der Korallenriffe; aber lassen Sie uns nicht drum herumreden“, sagt Peter Thomson, UN-Sondergesandter für die Ozeane. „Korallen bleichen und sterben vor allem deshalb, weil sich die Ozeane in alarmierendem Tempo erwärmen. Und diese Erwärmung wiederum ist die Folge der anhaltenden Verbrennung fossiler Brennstoffe durch den Menschen. Wenn wir wollen, dass Korallenriffe überleben, müssen wir unsere Emissionen drastisch reduzieren und die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius halten.“
Noch besteht Hoffnung auf Rettung
Noch ist nicht alles verloren. Lokale Schutzmaßnahmen wie Wiederaufforstung von Korallen, Eindämmung der Wasserverschmutzung oder nachhaltige Fischereimethoden könnten Riffe widerstandsfähiger machen. Dafür müsse jedoch massiv investiert werden – siebenmal so viel wie derzeit, schätzen Experten. Und es brauche globale Anstrengungen: Die aktuelle Erwärmungskurve deutet auf 2,7 Grad Celsius hin – viel zu viel für die sensiblen Ökosysteme.
„Dass dieses jüngste, globale Korallenbleiche-Ereignis immer noch andauert, bringt die Riffe der Welt in unbekannte Gewässer“, erklärt Dr. Britta Schaffelke vom Australian Institute of Marine Science. Es werde entscheidend sein, genau zu beobachten, ob und wie sich die Riffe erholen und verändern, um gezielt Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Korallenriffe sind mehr als nur ein Frühwarnsystem des Klimawandels – sie sind ein Lebensraum, ein Schutzwall, ein Hoffnungsträger. „Korallenriffe sind der Kanarienvogel in der Kohlemine der Menschheit – und das nicht nur im Hinblick auf den Klimawandel“, erinnert Dr. David Obura, Direktor von CORDIO East Africa. „Was wir heute tun, um sie zu retten – sowohl vor dem Klimawandel als auch vor Überkonsum –, wird das Leben auf der Erde bis weit ins nächste Jahrhundert hinein bestimmen.“
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch das Fenster zum Handeln steht noch offen – wenn auch nicht mehr lange.
Faktencheck: Was ist Korallenbleiche?
Korallenbleiche tritt auf, wenn Korallen unter Stress geraten – etwa durch zu hohe Wassertemperaturen – und die symbiotischen Algen ausstoßen, die ihnen ihre Farben und einen Großteil ihrer Energie liefern. Die Korallen erscheinen dann weiß und sind geschwächt. Kehren die Bedingungen schnell zur Normalität zurück, können sich Korallen erholen. Bleiben die Temperaturen zu lange hoch, sterben sie ab.Bedrohung der Ernährungssicherheit von Millionen Menschen.
Hauptursache:
- Klimawandelbedingte Erwärmung der Meere
- Regionale Umweltbelastungen (Verschmutzung, Überfischung)
Folgen:
- Verlust der biologischen Vielfalt
- Wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe
- Bedrohung der Ernährungssicherheit von Millionen Menschen
Die International Coral Reef Initiative (ICRI) ist eine globale Partnerschaft von Nationen und Organisationen, die sich seit 1994 für den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Korallenriffen und verwandten Ökosystemen einsetzt.
ICRI fördert:
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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