Wenn Algorithmen schnuppern: Generative KI aus Japan komponiert neue Düfte

Wenn Algorithmen schnuppern: Generative KI aus Japan komponiert neue Düfte

Bisher brauchte man Parfümeure mit sehr feiner Nase, nun haben auch die Maschinen einen wichtigen Teil der Duft-Kunst gelernt.

(Bild: Redaktion/GPT4o)


Der Duft von Zitrusfrüchten am Morgen, ein Hauch von Holz im Abendlicht – Gerüche wecken Erinnerungen, Emotionen, Atmosphären. Doch sie herzustellen war bislang eine Kunst für Eingeweihte: aufwendig, subjektiv, geprägt von Erfahrung und Intuition. Nun bekommt diese Welt einen neuen Akteur: eine künstliche Intelligenz, die Düfte nicht nur erkennt – sondern erfindet.

Vom Labor zur Benutzeroberfläche

Am Institute of Science Tokyo haben Forschende um Professor Takamichi Nakamoto ein System namens Odor Generative Diffusion (OGDiffusion) entwickelt, das Duftkreationen automatisiert – auf Basis mathematischer Modelle und maschinellen Lernens. „Unsere Diffusionsnetzwerke nutzen Muster in Massenspektrometriedaten von ätherischen Ölen, um neue Duftprofile vollautomatisch zu erzeugen“, erklärt Nakamoto. Die Ergebnisse sind nicht nur reproduzierbar, sondern treffen auch den richtigen Ton – beziehungsweise: Geruch.

Der Duft im Datenrausch

Die Technik dahinter ist ebenso komplex wie elegant: OGDiffusion analysiert die chemischen Fingerabdrücke von 166 ätherischen Ölen, die mit Duftbeschreibungen wie „floral“, „würzig“ oder „moosig“ versehen sind. Gibt ein Nutzer etwa „frisch“ und „holzig“ als Wunschprofil ein, errechnet die KI das passende Massenspektrum – und kombiniert dann mithilfe eines mathematischen Verfahrens die passenden Öle. So entsteht eine Rezeptur, die den gewünschten Duft mit verblüffender Treffsicherheit wiedergibt.

KI mit feinem Näschen

Wie gut das funktioniert, testeten die Forschenden in sensorischen Doppelblindversuchen mit 14 Proband:innen. Sie sollten AI-generierte Düfte den passenden Begriffen zuordnen – und lagen erstaunlich oft richtig. Selbst Nuancen wie ein zusätzlicher Duftbaustein wurden erkannt. Nakamoto sieht darin mehr als einen technischen Erfolg: „Das ist ein Durchbruch im Aroma-Design. Unser System erlaubt es sogar Laien, gezielte Düfte zu erzeugen.“

Schnuppern für alle

Die möglichen Anwendungen reichen weit über Parfümerie und Raumduft hinaus: Auch im Lebensmittelbereich, in der Aromatherapie, bei digitalen Duftinstallationen oder in der Medizin könnte OGDiffusion zum Einsatz kommen. Besonders interessant ist die Skalierbarkeit: Während klassische Duftentwicklung Wochen dauern kann, entstehen mit der KI binnen Sekunden Duftergebnisse, die chemisch nachvollziehbar und sofort produzierbar sind.

Zwischen Poesie und Programmcode

Natürlich ersetzt die KI keine kreativen Köpfe – aber sie demokratisiert die Welt des Duftdesigns. Was früher Parfümeuren mit Jahrzehnten Erfahrung vorbehalten war, ist nun ein Experimentierfeld für alle, die eine Idee in die Nase bekommen. Der Code riecht nicht, aber er versteht, was wir riechen wollen.

KI trifft Duft: Was OGDiffusion kann

Was ist OGDiffusion?
Ein KI-Modell, das Duftrezepturen automatisch erstellt – basierend auf generativen Diffusionsnetzwerken, chemischen Analysen und nutzerdefinierten Duftprofilen.

Wie funktioniert das?
– Analysiert Massenspektrometriedaten von 166 ätherischen Ölen
Ordnet diesen neun Duftkategorien zu (z. B. „fruchtig“, „würzig“, „holzig“)
– Generiert auf Basis von Nutzereingaben ein Duftprofil
Berechnet daraus eine Mischung ätherischer Öle mittels mathematischer Optimierung

Was ist das Neue daran?
– Vollständige Automatisierung des Duftdesigns
Keine Expert:innen oder Labore nötig
– Duftmischungen basieren auf real existierenden Ölen – sofort reproduzierbar
– Validierung durch sensorische Tests mit realen Proband:innen

Anwendungsfelder:
– Parfümerie & Kosmetik
– Lebensmittelaromen
– Smart Homes & Raumduftsysteme
– Digitale Duftinstallationen
Medizinische Aromatherapie

Infos zum Artikel:
Manuel Aleixandre, Dani Prasetyawan, Takamichi Nakamoto: Generative Diffusion Network for Creating Scents, in: IEEE Access, Volume 13, S. 57311–57321 (2025).
DOI: 10.1109/ACCESS.2025.3555273

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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