Ein zentrales Argument des Buches: Die westliche Demokratie ist nicht klimaneutral. Sie ist historisch und strukturell mit fossilem Wirtschaften verbunden.
(Bild: Coverdetail/Rowohlt Verlag)
Die Klimakrise ist eine wissenschaftliche Tatsache, die Reaktion darauf – oder ihr Ausbleiben – dagegen ein politisches Phänomen. Schon eine ganze Weile besteht dieser Gegensatz zwischen Wissen und Handeln. In Was wäre, wenn wir mutig sind? zieht Luisa Neubauer eine vorläufige Bilanz. Nicht nur über den Zustand des Planeten, sondern auch über den Zustand einer Gesellschaft, die sich zwar als demokratisch begreift, aber vor den Konsequenzen ihrer ökologischen Verantwortung zurückschreckt.
Ein Aufruf zur Einmischung
Neubauer, bekannt als eine der zentralen Stimmen der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, hat in den vergangenen Jahren mit Politikerinnen gestritten, Talkshows bestritten, Wahlprogramme kommentiert. Ihr neues Buch ist kein Erfahrungsbericht, sondern ein politisches Essay – und ein Appell an alle, die die Dringlichkeit begreifen, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen.
„Dieses Buch ist ein Aufruf, zu intervenieren“, schreibt sie gleich zu Beginn – und man merkt: Die Geduld der Autorin mit der politischen Trägheit ist erschöpft. Denn obwohl die wissenschaftlichen Fakten seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegen, passiert zu wenig. Die Gründe dafür sucht Neubauer nicht nur bei fossilen Lobbygruppen oder rechter Anti-Klima-Rhetorik, sondern auch in den institutionellen Strukturen der Demokratie selbst.
Die fossilen Wurzeln unserer Ordnung
Ein zentrales Argument des Buches: Die westliche Demokratie ist nicht klimaneutral. Sie ist historisch und strukturell mit fossilem Wirtschaften verbunden. Neubauer verweist auf historische Kontinuitäten, in denen Wohlstand, Wachstum und Emissionen eng miteinander verknüpft wurden. Wer heute für Klimaschutz eintritt, fordert also mehr als einen technischen Umbau – er fordert eine kulturelle und politische Neuverhandlung dessen, was als „normal“ gilt.
Dabei gelingt es Neubauer, ideologiekritisch zu argumentieren, ohne sich in akademischer Sprache zu verlieren. Sie schreibt zugänglich, aber nicht banal, kämpferisch, aber nicht verbissen. Ihr Blick ist analytisch – aber ihr Ziel ist die Veränderung.
Mut zur Hoffnung
Was das Buch von vielen anderen Klimaessays unterscheidet, ist sein optimistischer Grundton. Neubauer glaubt an die Fähigkeit der Gesellschaft, sich zu wandeln. Sie spricht von einer „realistischen Utopie“, die weder auf Wunder noch auf Verzicht basiert, sondern auf demokratischer Beteiligung, Gerechtigkeit und dem Mut, Grenzen anzuerkennen. Hoffnung ist für sie kein Gefühl, sondern eine Haltung – und eine Entscheidung.
Eine Einladung an alle, die nicht zusehen wollen
Was wäre, wenn wir mutig sind? richtet sich nicht nur an Umweltbewegte. Es ist ein Buch für alle, die sich angesichts der globalen Krisen zwischen Lähmung und Aktion bewegen. Es bietet keine einfachen Lösungen, aber eine klare Perspektive: Wir können die Dinge verändern – wenn wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Luisa Neubauer zeigt auf 144 Seiten, wie viel politische Kraft aus klarem Denken und ehrlicher Analyse entstehen kann. Ihr Text ist kein moralischer Zeigefinger, sondern eine ausgestreckte Hand – mit der Aufforderung, gemeinsam an einer lebenswerten Zukunft zu arbeiten.
![]() | Luisa Neubauer Was wäre, wenn wir mutig sind? Rowohlt Taschenbuch Erschienen: 28.01.2025 144 Seiten, 13,00 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
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