Trotz des vielen Geldes wird Gatsby am Ende nicht glücklich – wie wird es für den großen Trump laufen?
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Von außen funkelt alles. Ein riesiger Palast, Partys bis zum Morgengrauen, ein Mann in Maßanzügen, der wie aus dem Nichts zu Reichtum gekommen ist und sich als elitär inszeniert – das ist Jay Gatsby, der Held des berühmtesten Romans über die 1920er Jahre. Und es ist, zumindest auf den ersten Blick, auch ein Bild, das manch einen an Donald Trump erinnert: ebenfalls ein Selfmade-Millionär mit einem Hang zum Übermaß, mit Mar-a-Lago, dem vielen (falschen) Gold, aber wenig Ansehen beim alten Geldadel der Ostküste.
Avatare einer verlorenen Generation
Vor genau 100 Jahren erschien F. Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“, ein Buch, das zunächst kaum Beachtung fand – und heute wie ein Orakel erscheint. Längst ist es mehr als Schullektüre: Auf TikTok und insbesondere auf BookTok kursieren träumerische Videos mit Zitaten aus dem Roman, unterlegt mit melancholischer Musik, als wären Daisy und Gatsby Avatare einer verlorenen Generation. Und vielleicht sind sie das auch.
Klassische Fallstudie des amerikanischen Traums
Dass Gatsby 2025 noch einmal durchstartet, liegt nicht nur am runden Geburtstag. Es liegt daran, dass der Roman Fragen stellt, die auch heute brennen: Wie weit kommt man durch eigenen Ehrgeiz – und wo beginnen die unsichtbaren Mauern zwischen sozialen Klassen? Gatsby ist der Archetyp des amerikanischen Traums – und zugleich sein tragischster Beweis: Er hat Geld, aber keine Herkunft. Erfolg, aber keine Zugehörigkeit. So bleibt er ein Außenseiter, getrieben von der Illusion, dass man sich Liebe, Respekt und Vergangenheit erkaufen kann.
Wieviel Gatsby steckt in Trump?
Gewisse Parallelen zur Gegenwart sind dabei unübersehbar: Donald Trump warf sich, wie Gatsby, von Anfang an ins Scheinwerferlicht, mit Immobilien, Promi-Partys und TV-Auftritten. Auch er kämpfte – oder inszenierte sich zumindest – als Emporkömmling gegen das Establishment. Seine Villa in Mar-a-Lago, mit Spiegeln, Marmorsäulen und Golfplatz, wirkt wie eine grelle Neuinterpretation von Gatsbys Villa: weniger mysteriös, dafür umso lauter. Wie bei Gatsby scheint auch bei Trump vieles Fassade – Statussymbole, die den inneren Mangel kaschieren.
Goldrausch mit Abgründen
Die gesellschaftlichen Parallelen zwischen den 1920ern und den 2020ern sind frappierend: Damals wie heute wuchs die Kluft zwischen Arm und Reich, tobten politische und kulturelle Umbrüche. Die einen feiern die neue Freiheit – genderfluid, global vernetzt, kreativ-exzessiv. Die anderen sehnen sich nach alten Sicherheiten. Schon damals war das Tempo schwindelerregend: Automobile, Radios, Jazz. Heute sind es Algorithmen, Memes, Kryptowährungen. Und wie damals lauert hinter der Fassade ein Abgrund – 1929 kam der große Crash, heute warnen viele vor einer ähnlichen Zäsur.
Zwischen Glanz und Einsamkeit
Der große Gatsby ist deshalb kein nostalgisches Buch, sondern ein hochaktuelles. Es zeigt, wie schnell Erfolg zur Einsamkeit werden kann, wie dünn der Lack des Glamours ist – und wie unversöhnlich oft die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit bleibt. Vielleicht ist das der Grund, warum sich gerade junge Menschen wieder in den Roman verlieben: Er spricht von Sehnsucht, von Scheitern, von dem Gefühl, dass man alles haben kann – und doch nie genug ist.
![]() | F. Scott Fitzgerald, Der große Gatsby, übersetzt von Bettina Abarbanell. Ersch. 2007, Diogenes Verlag, 256 S., 14,00 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
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