Mit der F-91w schuf Industriedesigner Ryūsuke Moriai im Jahr 1989 sein Meisterstück – die schlichte blaue Umrahmung des Displays wurde zum Markenzeichen.
(Bild: Ashley Pomeroy, CC BY-SA 3.0)
Nur drei Knöpfe, ein einfaches digitales Display, keine dreißig Gramm schwer – und doch kennt sie fast jeder: die Casio F-91W. Seit ihrer Markteinführung 1989 hat sie sich weltweit über 100 Millionen Mal verkauft, läuft mit einer Batterie fast ein Jahrzehnt – und kostet kaum mehr als ein Fast-Food-Mittagessen. Auf den ersten Blick mag sie unscheinbar wirken. Doch gerade diese Schlichtheit machte sie zum Klassiker, getragen von Schülern, Soldaten, Filmfiguren und Streetwear-Stars.
Die Geschichte dieser Uhr ist auch die Geschichte ihres Erfinders: Ryūsuke Moriai, ein japanischer Industriedesigner mit einem Faible für Klarheit. Als Moriai in den 1980ern bei Casio an der Entwicklung arbeitete, stand nicht technischer Fortschritt im Mittelpunkt, sondern Alltagstauglichkeit. „Ich wollte eine Uhr entwerfen, die jeder versteht – ohne Bedienungsanleitung“, soll er einmal gesagt haben. Die F-91W wurde zur perfekten Verkörperung dieses Anspruchs.
Popkultur zum Umschnallen
Ob in Quentin Tarantinos „Reservoir Dogs“, an Napoleon Dynamites Handgelenk oder in den TV-Serien der 1990er – die Casio F-91W tauchte in unzähligen Szenen auf. Sie ist kein Luxusaccessoire, sondern Requisite des Alltags. Ihre Präsenz in Film und Fernsehen erzählt weniger von Markenplatzierung als von Authentizität: Diese Uhr tragen Menschen, die keine Uhrensammlung besitzen, sondern einfach wissen wollen, wie spät es ist.
In den letzten Jahren wurde sie sogar zum Streetstyle-Statement – ironisch aufgeladen, minimalistisch und retro zugleich. In Hip-Hop-Videos, Modeblogs und sogar auf Laufstegen tauchte sie wieder auf. Wer sie trägt, macht ein Statement: gegen Protz, für Funktion.
Eine Uhr für alle – buchstäblich
Die F-91W ist in ihrer Einfachheit demokratisch: Kein Statussymbol, sondern ein Nutzgegenstand. Ihre Zielgruppe? Alle. Schüler, Krankenschwestern, Fahrradkuriere, Wissenschaftler, Staatsoberhäupter. Selbst Barack Obama wurde mit ihr fotografiert. Und genau darin liegt ihre Stärke: Die Uhr passt sich nicht an, sie zwingt niemanden zur Anpassung.
Ihre Popularität ist dabei mehr als ein stilistisches Kuriosum. Sie zeigt, dass gutes Design nicht teuer sein muss – sondern klug, funktional und langlebig. Mit Features wie Wecker, Stoppuhr und LED-Licht bietet sie alles, was man braucht. Nicht mehr. Und nicht weniger.
Vom Chronographen zur kulturellen Referenz
Die Uhr wurde nicht nur getragen – sie wurde gesehen, verstanden, zitiert. In Internetforen und auf Reddit widmen ihr Fans ganze Threads. Es gibt Armband-Mods, Gehäuse-Tuning und sogar künstlerische Interpretationen. Gleichzeitig sorgte sie auch für Kontroversen: Der US-Geheimdienst nutzte die Uhr als Erkennungsmerkmal mutmaßlicher Terroristen, da sie von Al-Qaida-Aktivisten nicht nur als zuverlässiger Zeitmesser am Armgelenk geschätzt wurde, sondern auch als Zeitzünder für selbst gebastelte Bomben zum Einsatz kam. Letzlich eine eher zweifelhafte Fahndungs-Strategie, wenn man die Beliebtheit des Objekts auf der ganzen Welt bedenkt.
Zeitlose Lektion in Design
Dass eine Uhr aus Plastik einen vergleichbaren Kultstatus erlangt, ist auf jeden Fall keine Selbstverständlichkeit. Die Casio F-91W jedoch hat es geschafft – ohne regelrechten Marketinghype, ohne Luxusanspruch. Vielleicht, weil sie nie versuchte, etwas zu sein, das sie nicht ist. Vielleicht, weil ihr Erfinder verstand, dass Zeit zwar vergeht – aber gutes Design bleibt.
Die Casio F-91W auf einen Blick
Erscheinungsjahr: 1989
Designer: Ryūsuke Moriai
Besonderheiten: LED-Licht, Wecker, Stoppuhr, 7-Jahre-Batterie
Preis: Ca. 10 bis 20 Euro
Verkaufte Einheiten: Über 100 Millionen weltweit
Bekannt durch: Popkultur, Militär, Streetwear
Stil: Minimalistisch, funktional, retro
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Utopia Storm betreut das Film-, Kunst- und Design-Ressort von Phaenomenal.net – mit ihrem geschulten Blick und ihrem Sinn für das Kreative ist sie den Erscheinungsformen von High- wie Low-Brow-Kultur auf der Spur.
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