Wie heiß wäre der Globus, wenn alle Portfolios so zusammengesetzt wären wie meins? Das lässt sich dank einer neuen Methodik jetzt sehr gut sichtbar machen.
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Wenn Geld die Welt regiert, dann bestimmt es auch ihr Klima. Was jahrzehntelang abstrakt klang, lässt sich jetzt beziffern – in Grad Celsius. Denn erstmals können Banken, Investoren und Aufsichtsbehörden präzise bestimmen, wie sehr ein Finanzportfolio zur Erderwärmung beiträgt. Möglich macht das eine neuartige Methodik, die der Frankfurter Professor Martin Simon mit internationalen Partnern entwickelt hat – und die nun auf Einladung der Banque de France in Paris vorgestellt wurde.
Temperaturmessung fürs Finanzsystem
„Keine Investition bleibt folgenlos“, sagt Simon, Professor für Data Science an der Frankfurt University of Applied Sciences. Der Forscher vergleicht Finanzströme mit Sandkörnern: Jedes für sich unscheinbar, doch in der Masse von gewaltiger Wirkung. Sein neues Verfahren, das auf dem sogenannten X-Degree Compatibility-Modell basiert, quantifiziert erstmals den Klimaeinfluss von Geldanlagen – nicht nur als abstraktes Risiko, sondern in konkreten Temperaturwerten.
Der Clou: Das Modell zeigt auf, um wie viel Grad sich die Erde erwärmen würde, wenn alle Investitionen weltweit dieselbe Klimawirkung hätten wie ein bestimmtes Portfolio. Damit wird Klimarisikomanagement greifbar – nicht nur für grüne Pioniere, sondern auch für reguläre Kreditabteilungen.
Vom Pilotprojekt zum europäischen Standard?
Bereits die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat die Methodik im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt – und war offenbar beeindruckt. Die Ergebnisse der Analyse europäischer Kreditportfolios wurden in einem offiziellen EBA-„Staff Paper“ veröffentlicht. Sie zeigen, dass sich temperaturbasierte Metriken als Steuerungsinstrument durchsetzen könnten – gerade in emissionsintensiven Branchen wie Energie, Industrie oder Verkehr.
Das Verfahren überzeugt dabei nicht nur durch Klarheit, sondern auch durch Genauigkeit. Gemeinsam mit Forschenden aus Finnland und dem Frankfurter Softwareunternehmen right° gelang es Simon, zentrale Unsicherheiten – etwa bei Emissionsdaten oder Szenarien – systematisch in die Berechnung einzubeziehen. So lässt sich die Klimaausrichtung von Finanzprodukten nicht nur präziser, sondern auch transparenter und zeiteffizienter bewerten.
Geld als Klimafaktor – mit System
Der Auftritt Simons auf Einladung der Banque de France im Rahmen des renommierten Forums „Climate finance, risk and uncertainty modelling“ könnte zum Meilenstein werden. Denn wo früher CO₂-Fußabdruck und ESG-Ratings dominierten, rückt nun ein objektiver, physikalischer Maßstab in den Fokus: die Temperaturwirkung. Und die ist, anders als viele Nachhaltigkeitslabels, kaum schönzurechnen.
Die Methodik hat das Potenzial, eine neue Ära der Finanzaufsicht einzuläuten. Nicht als moralischer Appell, sondern als wissenschaftlich fundiertes Werkzeug für Risikoanalysen, Investitionsentscheidungen – und letztlich auch für die Einhaltung der Pariser Klimaziele.
Der große Hebel im Kleingedruckten
Noch sind es Pilotprojekte und Fachkonferenzen, auf denen diese neue Temperaturlogik diskutiert wird. Doch die Richtung ist klar: Wer in Zukunft wissen will, wie grün ein Portfolio wirklich ist, wird nicht mehr an Gradangaben vorbeikommen. Die Erkenntnis dahinter ist ebenso simpel wie weitreichend: Auch Geld hat eine Klimabilanz – und jeder Euro schreibt an der Geschichte der Erderwärmung mit.
X-Degree-Kompatibilität im Fakten-Check: Was misst das Verfahren? Die Methode zeigt, um wie viel Grad sich die Erde theoretisch erwärmen würde, wenn alle Wirtschaftsaktivitäten so klimaschädlich wären wie die eines bestimmten Finanzportfolios. Wer hat’s entwickelt? Ein Team um Prof. Dr. Martin Simon (Frankfurt UAS) gemeinsam mit dem Softwareunternehmen right° und internationalen Forschungspartnern – unter anderem aus Finnland. Was ist neu daran? Das Modell integriert erstmals alle relevanten Unsicherheiten – etwa in Emissionsdaten oder Szenarien – und macht Bewertungen damit präziser, transparenter und schneller berechenbar. Wer nutzt es bereits? Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat die Methode im Rahmen eines Pilotprojekts getestet. Erste Ergebnisse wurden in einem offiziellen EBA-„Staff Paper“ veröffentlicht. Wozu ist das gut? Banken, Investoren und Regulierer können Portfolios so gezielt steuern, dass sie mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang stehen – statt sie unbeabsichtigt zu untergraben. |
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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