Bisher war es für viele Konzerne leicht, Verantwortung auf die Konsumenten oder auf Staaten abzuwälzen – das dürfte nun schwieriger werden.
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Ein Waldbrand in Kalifornien, eine Flut in Vermont, ein Hurrikan in den Appalachen – die Schlagzeilen der Klimakatastrophen gleichen sich, ihre Kosten explodieren. Weltweit versuchen Regionen, sich gegen die zunehmenden Schäden zu wappnen – oder suchen nach Wegen, sie ersetzt zu bekommen. Doch wie beweist man vor Gericht, dass eine bestimmte Flut ohne Chevron, Exxon oder BP womöglich gar nicht passiert wäre?
Eine neue Studie des Dartmouth College liefert nun eine wissenschaftliche Antwort – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für Gerichte, Gesetzgeber und fossile Großkonzerne. Der Geografieprofessor Justin Mankin bringt es auf den Punkt: „Wir argumentieren, dass der wissenschaftliche Fall für Klimahaftung abgeschlossen ist – auch wenn die rechtliche Zukunft noch offen ist.“
Der Kausalitätsnachweis auf Unternehmensniveau
Die Studie, erschienen im Fachjournal Nature, entwickelt ein Modell, das individuelle Emissionen einzelner Unternehmen mit konkreten Schäden wie Hitzekosten verknüpft. Grundlage sind öffentlich zugängliche Emissionsdaten sowie etablierte Methoden der Klimamodellierung, wie Mitautor Christopher Callahan erläutert: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, die Welt mit und ohne einzelne Emittenten zu vergleichen.“
Der Clou: Das Modell funktioniert nach dem juristisch relevanten „But-for“-Standard. Es fragt, ob ein Schaden – etwa eine Hitzewelle – auch ohne die Emissionen einer Firma aufgetreten wäre. Wenn nicht, kann eine direkte Verantwortung abgeleitet werden.
Trillionenschäden durch extreme Hitze
Die Ergebnisse sind dramatisch. Laut der Studie verursachten 111 fossile Unternehmen zwischen 1991 und 2020 weltweit Hitzeschäden im Wert von 28 Billionen US-Dollar. Allein fünf Firmen seien für ein Drittel dieser Verluste verantwortlich. Das „Spitzenunternehmen“ unter den Investor-getriebenen Emittenten könne sogar mit 791 Milliarden bis 3,6 Billionen US-Dollar in Verbindung gebracht werden – je nachdem, wie streng man rechnet.
Besonders betroffen: ärmere, tropische Regionen, die am wenigsten zur Erwärmung beigetragen haben. Für Callahan ist das auch eine moralische Frage: „Der Reichtum westlicher Ökonomien basiert auf fossiler Energie. Doch wie ein Pharmakonzern für Nebenwirkungen haftet, sollten auch fossile Unternehmen für Klimaschäden Verantwortung tragen.“
Wissenschaft für die Anklagebank
Die Methode basiert auf den Fortschritten der „Climate Attribution Science“, also der Wissenschaft, die Klimaschäden rückwirkend auf menschliches Verhalten zurückführt. Neu ist laut Mankin vor allem der Detailgrad: Statt mit globalen Durchschnittswerten arbeitet das Modell mit konkreten Firmenemissionen und simuliert die Temperaturfolgen direkt.
Schon jetzt findet die Methodik Anwendung – etwa im US-Bundesstaat Vermont. Dort erlaubt ein neues Gesetz, fossile Konzerne zur Kasse zu bitten, wenn Klimaschäden eindeutig auf ihre Emissionen zurückgeführt werden können. Die Gesetzesgrundlage fußt teils auf Mankins Aussagen – und einer Vorabversion der aktuellen Studie.
Ein wissenschaftliches Werkzeug – mit juristischer Sprengkraft
Für die Forschenden ist klar: Ihr Modell ist keine Zukunftsvision, sondern eine Rekonstruktion dessen, was längst passiert ist. „Wir leben in einer Welt, die sich schon stark erwärmt hat“, sagt Mankin. „Unsere Analyse ist kein Blick in die Zukunft, sondern eine Dokumentation der Vergangenheit – samt der Gründe, warum sie so verlaufen ist.“
Ob Gerichte weltweit auf dieser Grundlage Billionenklagen zulassen, bleibt abzuwarten. Doch eines steht fest: Die Debatte um Klimahaftung ist nicht länger eine rein moralische – sie hat ein wissenschaftliches Fundament bekommen.
Kurzinfo: Klimahaftung für Konzerne
Was ist neu?
Ein wissenschaftliches Modell zeigt erstmals auf, wie sich wirtschaftliche Schäden durch extreme Hitze einzelnen Unternehmen zuordnen lassen.
Was sagt die Studie konkret?
28 Billionen US-Dollar Hitzeschäden weltweit zwischen 1991 und 2020 – davon 9 Billionen auf das Konto der fünf größten Emittenten.
Welche Bedeutung hat das?
Das Modell könnte in Gerichtsverfahren genutzt werden, um fossile Konzerne haftbar zu machen – wie aktuell in Vermont.
Warum ist das relevant?
Es geht um Gerechtigkeit und die Frage, wer für die immensen Folgen des Klimawandels finanziell einstehen muss.
Originalpublikation:
Callahan, C.W., Mankin, J.S. Carbon majors and the scientific case for climate liability. Nature 640, 893–901 (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-08751-3
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Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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