Oslo macht es vor: Geld verdienen mit CO2-Speicherung in der Nordsee

Oslo macht es vor: Geld verdienen mit CO2-Speicherung in der Nordsee

Am Stadtrand von Oslo, wo die Skyline flacher wird und Industriehallen die Fjordlandschaft unterbrechen, entsteht derzeit ein Projekt, das Europas Klimapolitik ein neues Kapitel hinzufügen könnte. Dort, in der Müllverbrennungsanlage Klemetsrud, plant das norwegische Energieunternehmen Hafslund Celsio gemeinsam mit dem internationalen Investorenkonsortium Frontier Group ein ambitioniertes Vorhaben: das erste Carbon-Capture-and-Storage-(CCS)-Projekt seiner Art in einer städtischen Müllverbrennung.

Big Data aus dem Silicon Valley als Auftraggeber

Hinter Frontier stehen keine ölverschmierten Industriekonzerne, sondern die größten Namen des Silicon Valley: Stripe, Google, Meta, Shopify und Salesforce. Sie eint ein Ziel: Emissionen nicht nur zu kompensieren, sondern real aus der Atmosphäre zu ziehen – und damit auch die Verbesserung der eigenen CO2- Bilanz. Helfen soll dabei der Müll der Osloer Einwohnerschaft.

Jährlich verarbeitet die Anlage rund 400.000 Tonnen Haus- und Gewerbemüll. Beim Verbrennen entstehen dabei rund 400.000 Tonnen CO2, etwa die Hälfte davon biogenen Ursprungs. Künftig sollen etwa 90 Prozent dieser Emissionen abgeschieden werden: also rund 360.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das macht Klemetsrud zu einem Schlüsselprojekt für eine mögliche CCS-Offensive in Europa.

2.600 Meter unter der Nordsee

Doch wohin mit dem eingefangenen Kohlendioxid? Die Antwort liegt tief unter der Nordsee. Per Schiff wird das abgeschiedene CO2 in ein Terminal an der norwegischen Westküste gebracht und von dort per Pipeline in das Speicherfeld „Aurora“ geleitet – Teil des europäisch-norwegischen CCS-Großprojekts „Northern Lights“. In 2.600 Metern Tiefe, unter porösen Sandsteinformationen, soll das CO2 dauerhaft gelagert werden.

Methanemissionen ebenfalls vermieden

Ein oft unterschätzter Nebeneffekt: Durch die Verbrennung von Hausmüll inklusive Bioabfällen wird nicht nur CO2 freigesetzt, sondern auch Methan vermieden – ein weitaus klimaschädlicheres Gas, das entstehen würde, wenn organische Abfälle unbehandelt verrotten. Mit der CCS-Technologie lässt sich dieser Klimaeffekt erstmals doppelt bilanzieren: durch vermiedene Methan- und eingefangene CO2-Emissionen.

Geld verdienen mit CO2-Zertifikaten

Hafslund Celsio, zu zwei Dritteln im Besitz der Stadt Oslo, sieht sich als Vorreiterin: Das Unternehmen verspricht, mit dem Projekt eine Blaupause für urbane CCS-Lösungen in ganz Europa zu liefern. Zugleich hofft man auf ein neues Geschäftsmodell: Hafslund Celsio plant, künftig sogenannte Carbon Removal Credits – also zertifizierte CO2-Entnahmen – an die Frontier Group zu verkaufen. Die Tech-Konzerne wiederum können diese Emissionsgutschriften nutzen, um ihre selbst gesteckten Netto-Null-Ziele zu erreichen.

Bis 2030, so eine Studie der Clean Air Task Force, könnte die CCS-Technologie rund 50 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in Europa einfangen – sofern Infrastruktur, Politik und Investoren mitziehen. Global gesehen wäre das allerdings nur ein etwas größerer Tropfen auf dem heißen Stein: denn bis 2050 müssen mindestens 100 Milliarden Tonnen entfernt werden, um das Klima zu retten.

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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