Geld aus dem Nichts: droht Krypto zur Schattenbank zu werden?

Geld aus dem Nichts: droht Krypto zur Schattenbank zu werden?

Zugegeben, auch Banken schaffen Kredit-Geld aus dem Nichts – doch Krypto wird auch schnell wieder dazu, wenn man Pech hat.

(Bild: Redaktion/GPT4o)


Als der Bitcoin 2009 das Licht der Welt erblickte, war die Botschaft klar: digitales Geld, unabhängig von Banken und Staaten. Eine Revolution – so schien es – gegen ein System, das in der Finanzkrise tief erschüttert worden war. Doch anderthalb Jahrzehnte später ist von der Revolte gegen die Wall Street nicht mehr viel übrig. Im Gegenteil: Die Krypto-Sphäre ist selbst zur Bank geworden – nur ohne Tresen, Lizenz und Regulierung.

Eine aktuelle Studie der Politikwissenschaftler Christopher Olk und Louis Miebs von der Freien Universität Berlin analysiert diese Entwicklung und kommt zu einem brisanten Befund: „Die Krypto-Erfinderinnen wollten ursprünglich ein Gegenmodell zum konventionellen, bankenbasierten Geldsystem schaffen. Das Gegenteil ist eingetreten“, so Olk. Statt Dezentralisierung sehen die Forscher ein neues Zentrum entstehen – nur im Schatten der offiziellen Finanzordnung.

Stablecoins als Schattenwährung

Im Fokus der Analyse stehen Stablecoins wie Tether oder der inzwischen kollabierte TerraUSD – digitale Münzen, die ihren Wert an staatliche Währungen koppeln. Sie versprechen Stabilität, sind aber nicht staatlich garantiert. Laut Studie übernehmen sie damit faktisch Funktionen von Geld, ohne selbst Geld im rechtlichen Sinn zu sein. Das macht sie – so die Autoren – zu einer Art „Schatten-Geld“, das zentrale Mechanismen des Finanzsystems imitiert, aber außerhalb staatlicher Kontrolle operiert.

„Kryptowährungen funktionieren heute zunehmend wie Geld – aber nur, weil zentralisierte Plattformen Kreditbeziehungen schaffen und Liquidität bereitstellen“, erklärt Olk. Damit seien es gerade die Börsen – etwa die inzwischen insolvente Plattform FTX –, die wie Banken agierten: Sie verwahrten Vermögen, gewährten Kredite, ermöglichten Konvertibilität. Nur eben ohne Aufsicht.

Systemisches Risiko ohne Sicherung

Die Krypto-Krise von 2022, bei der Stablecoins kollabierten und Milliardenwerte vernichtet wurden, war für die beiden Politologen kein Unfall, sondern Ausdruck eines strukturellen Problems. „Wir kennen diese Entwicklung aus 500 Jahren Kapitalismus gut“, so Olk. In Phasen niedriger Renditen würden immer neue Formen von „Kreditgeld“ entstehen – bis die Blase platzt.

Im Unterschied zu klassischen Banken fehle jedoch jede Einlagensicherung, jede Notenbank im Hintergrund. Wenn das Vertrauen schwindet, kann sich ein digitaler Bank Run binnen Stunden vollziehen. Genau das passierte – und wird, so die Autoren, wieder passieren, wenn keine klare politische Regulierung folgt.

Politik zwischen Regulierung und Risiko

Während die EU inzwischen Schritte zur Regulierung von Krypto-Vermögen unternimmt, bleiben andere Regionen zögerlich – oder gar offen unterstützend. In den USA etwa, so die Studie, hätte Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit zur politischen Rehabilitation des Kryptosektors beigetragen. Eine Entwicklung, die das System weiter stabilisiere – aber zugleich seine Schattenseiten vertiefe.

„Die Krypto-Sphäre steht heute an einem Wendepunkt“, meint Co-Autor Louis Miebs. „Entweder wird sie stärker reguliert und erhält damit neue Legitimität – oder sie bleibt eine systemische Risikozone, deren nächste Krise nur eine Frage der Zeit ist.“

Wer macht das Geld von morgen?

Die Kernfrage lautet damit nicht länger, ob Krypto bleibt – sondern unter welchen Regeln. Wenn Stablecoins Geldfunktionen übernehmen, wenn Börsen Banken spielen und Kreditverhältnisse geschaffen werden, dann ist es höchste Zeit für eine Debatte darüber, wer in Zukunft eigentlich Geld schaffen darf – und wer es kontrollieren muss.


Infokasten: Kryptowährungen und Schattenbanken

Was ist ein Schattenbankensystem?
Finanzakteure, die wie Banken agieren, aber nicht den gleichen regulatorischen Vorgaben unterliegen.

Was sind Stablecoins?
Kryptowährungen, deren Wert an staatliche Währungen gekoppelt ist (z. B. US-Dollar).

Warum ist das problematisch?
Sie vermitteln Sicherheit und Stabilität, ohne staatlich abgesichert zu sein.

Was fordern die Autoren?
Eine politische Neubewertung von Kryptowährungen – mit möglichen Regulierungen wie im klassischen Bankensystem.

Was steht auf dem Spiel?
Die Kontrolle über das Geldsystem – und damit über die Stabilität der Wirtschaft.


Originalpublikation:
Olk, C. & Miebs, L. (2025). A credit theory of anti-credit money: How the cryptocurrency sphere turned into a shadow banking system. Review of International Political Economy. https://doi.org/10.1080/09692290.2025.2476738

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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