Führt KI im Journalismus zu gelangweilten LeserInnen? Bisher jedenfalls scheinen Texte von menschlichen Autoren komplexer zu sein…
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Ein guter Artikel lebt vom Rhythmus: mal kurz und knapp, dann wieder ausschweifend, mit sprachlichen Wendungen, die Leser zum Nachdenken bringen oder zum Schmunzeln. Doch was passiert, wenn dieser Rhythmus durch Algorithmen ersetzt wird? Eine Studie der Charles Darwin University ist dieser Frage auf den Grund gegangen – und kommt zu einem klaren Befund: Auch wenn Künstliche Intelligenz zunehmend bessere Texte liefert, bleibt sie im Stil deutlich erkennbar. Noch.
Mensch gegen Maschine – im Stilvergleich
Insgesamt 150 journalistische Beiträge aus etablierten Medien wie The New York Times, The Sydney Morning Herald und The Australian wurden analysiert und durch die Google-KI „Gemini“ nachgebaut. Die Themen reichten von Politik über Sport bis hin zu Militär und Technik. Das Ziel: herauszufinden, ob sich KI-generierte Artikel von menschlich verfassten unterscheiden – und wenn ja, wie.
Die Ergebnisse legen nahe: KI schreibt lesbar, aber langweiliger. „Unsere Studie zeigt, dass KI und menschliche Autoren gleichermaßen verständliche Texte erzeugen“, erklärt Studienleiter Van Hieu Tran, Absolvent der CDU im Fach Informationstechnologie. „Aber menschliche Journalisten verwenden deutlich variablere Satz- und Absatzstrukturen. KI produziert eher ‘langweilige’ Inhalte ohne stilistische Vielfalt und ohne das kreative Flair menschlicher Autoren.“
Stilmerkmale mit Wiedererkennungswert
Besonders auffällig war der Unterschied im Wortgebrauch: Während Menschen tendenziell mehr Verben verwenden, also auf Handlung und Dynamik setzen, bevorzugt die KI Substantive – was den Text statischer wirken lässt. Auch bei Satzlängen zeigte sich ein auffälliges Muster: Menschliche Autoren wechseln zwischen kurzen und langen Abschnitten, erzeugen damit Spannungsbögen – KI dagegen bleibt monoton.
Diese Beobachtungen eröffnen neue Möglichkeiten. „Wir könnten uns ein Plug-in für Webbrowser vorstellen, ähnlich wie Turnitin in der Plagiatsprüfung“, so Tran. „Das könnte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzeigen, ob ein Artikel von KI geschrieben wurde.“
Warum das mehr ist als eine Spielerei
Doch es geht nicht nur um Stilfragen. Dr. Yakub Sebastian, Mitautor der Studie und Dozent an der CDU, betont: „Die Frage ist nicht nur, ob wir menschlichen von KI-Texten unterscheiden können. Entscheidend ist, ob es uns überhaupt noch wichtig ist.“ Denn Nachrichten seien mehr als eine bloße Faktenvermittlung – sie prägen Meinungen, Emotionen, gesellschaftliche Narrative.
„KI-Biases sind eine reale Gefahr“, warnt Sebastian. „Deshalb ist es wichtig, dass wir erkennen können, wer oder was hinter einem Text steht – besonders, wenn KI so schnell menschliche Fähigkeiten imitiert.“
Eine Mensch-Maschine-Frage mit Zukunft
Schon jetzt veröffentlichen erste Zeitungen, wie jüngst in Italien, komplette Ausgaben mit KI-generierten Inhalten. Die Studie aus Australien kommt also zur rechten Zeit – und gibt Journalisten, Lesern und Entwickler*innen gleichermaßen ein Werkzeug an die Hand. Noch unterscheidet sich der Algorithmus vom menschlichen Autor. Doch wer der KI auf die Schliche kommen möchte, muss künftig wohl nicht nur auf den Inhalt achten – sondern auch auf den Ton, der ihn transportiert.
Mensch vs. Maschine – Stilunterschiede im Nachrichtenjournalismus Studie: Durchführung: Charles Darwin University (CDU), Australien Datengrundlage: 150 Artikel von New York Times, Sydney Morning Herald, The Australian Nachbau durch KI „Gemini“ auf Basis derselben Inhalte Hauptbefunde: Satzstruktur: Menschen schreiben abwechslungsreicher, mit variabler Länge und Rhythmus Wortwahl: Menschliche Texte nutzen mehr Verben (Handlung), KI-Texte mehr Substantive (Statik) Lesbarkeit: Beide gleich gut – aber menschliche Texte haben mehr „Charakter“ Stil: KI-Texte gelten als stilistisch „langweiliger“ und weniger kreativ Ausblick: Entwicklung eines Plug-ins geplant, das KI-generierte Nachrichten identifizieren kann Ziel: mehr Transparenz und Bewusstsein für KI-Einflüsse im digitalen Nachrichtenraum |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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