Mit ihrem Energiehunger sorgt die KI-Branche derzeit für einen Run auf alle verfügbaren Stromquellen.
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Noch ist es vergleichsweise leise – das Summen in den Datenzentren, das Zucken der Server, das Rattern der Kältesysteme. Doch was heute wie technisches Hintergrundrauschen wirkt, könnte sich in den kommenden Jahren zur lautlosen Machtverschiebung im globalen Energiesystem auswachsen. Künstliche Intelligenz, so zeigt ein neuer Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA), ist nicht nur ein digitaler Gamechanger, sondern wird auch zum gigantischen Stromkonsumenten. In den USA soll sie sogar bald mehr Strom benötigen als die gesamte Schwerindustrie.
Datenzentren statt Hochöfen: Die neue Industrie der Zukunft
Der aktuelle IEA-Sonderbericht „Energy and AI“ liefert die bislang umfassendste Analyse über die wachsende Verflechtung von Energie und Künstlicher Intelligenz – und sie hat es in sich: Bis 2030 soll sich der Stromverbrauch von Datenzentren weltweit mehr als verdoppeln und rund 945 Terawattstunden erreichen. Das entspricht dem gesamten heutigen Stromverbrauch Japans. Der Haupttreiber dieser Entwicklung ist der Siegeszug von KI – deren Hunger nach Rechenleistung, Speicher und Trainingsdaten exponentiell wächst.
Besonders drastisch fällt der Wandel in den Vereinigten Staaten aus. Dort wird der Strombedarf für Datenverarbeitung bis zum Ende des Jahrzehnts höher liegen als jener für die Herstellung von Stahl, Aluminium, Zement und Chemikalien zusammengenommen. Anders gesagt: Nicht mehr Hochöfen, sondern Serverfarmen werden die größten Energiefresser sein.
Energiewende unter neuen Vorzeichen
Der Wandel stellt nicht nur Technikunternehmen, sondern auch Energieversorger und Politik vor enorme Aufgaben. In fortgeschrittenen Volkswirtschaften wie den USA, Japan oder auch Malaysia könnten Datenzentren über 20 Prozent des Nachfragewachstums bis 2030 ausmachen. Für viele Strommärkte, die zuletzt stagnierten oder sogar schrumpften, bedeutet das eine Rückkehr auf Wachstumskurs – allerdings unter völlig neuen Vorzeichen.
Um den künftigen Strombedarf zu decken, dürften vor allem erneuerbare Energien und Erdgas eine Schlüsselrolle spielen. Sie gelten laut IEA als kostengünstig und schnell skalierbar. Doch ob der Ausbau von Netzen, Speichern und Erzeugungskapazitäten mit dem Tempo der KI-Entwicklung Schritt halten kann, bleibt offen.
Risiken zwischen Cyberangriffen und Rohstoffhunger
Auch auf der Schattenseite bringt die KI-Revolution neue Risiken mit sich. Die Zahl der Cyberattacken auf Energieversorger hat sich laut IEA innerhalb von vier Jahren verdreifacht – und viele dieser Angriffe sind KI-gesteuert. Zugleich nutzen Unternehmen die Technologie, um sich besser zu schützen. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel, das politische Aufmerksamkeit verlangt.
Ein weiteres Problem: Der steigende Bedarf an kritischen Mineralien, die für Rechenzentren und KI-Hardware nötig sind – etwa Seltene Erden oder Kobalt. Ihre Förderung ist oft geopolitisch heikel, ihre Versorgungsketten anfällig.
KI als Chance – aber nicht zum Nulltarif
Der IEA-Bericht ist keine apokalyptische Warnung, sondern ein realistischer Weckruf. Künstliche Intelligenz kann helfen, Emissionen zu senken, Effizienz zu steigern und technologische Sprünge in der Energiebranche zu beschleunigen. Doch das gelingt nur, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft rechtzeitig die Weichen stellen – mit Investitionen, neuen Regeln und einem offenen Dialog.
Denn wie es IEA-Chef Fatih Birol formuliert: „AI ist ein Werkzeug – ein potenziell mächtiges. Aber es liegt an uns, wie wir es nutzen.“ Der Strom der Zukunft wird nicht nur in Kilowattstunden gemessen. Sondern auch in klugen Entscheidungen.
Fakten im Überblick: KI und Energieverbrauch Stromverbrauch durch Datenzentren weltweit: 2023: ca. 460 TWh 2030: voraussichtlich 945 TWh (Mehr als der heutige Stromverbrauch Japans) Entwicklung in den USA: Bis 2030: Datenverarbeitung durch KI benötigt mehr Strom als die gesamte Schwerindustrie (Aluminium, Stahl, Zement, Chemie) Treiber des Anstiegs: KI-optimierte Datenzentren (Rechenleistung, Kühlung, Netzwerke) Wachsende Verbreitung von KI-Anwendungen in Wirtschaft und Wissenschaft Energiequellen für das KI-Zeitalter: Erneuerbare Energien und Erdgas im Fokus Herausforderung: Netzausbau und Versorgungssicherheit Risiken laut IEA: Steigender Bedarf an kritischen Rohstoffen (z. B. Seltene Erden) Zunahme von Cyberangriffen auf Energienetze Unklar, wie schnell Effizienzgewinne die Entwicklung ausgleichen können Chancen: KI kann Emissionen reduzieren, z. B. durch intelligente Netzsteuerung Beschleunigte Forschung bei Speicher- und Solartechnologien |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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