Vulkanausbruch droht? Anruf genügt! Wird per Laserlicht ein bevorstehender Ausbruch erkannt, können Menschen im Umfeld per App sofort benachrichtigt werden.
(Bild: Redaktion/GPT4o)
Unter der Erde regt sich etwas. Unsichtbar für das bloße Auge drängt Magma nach oben, dehnt und staucht den Boden – ein stummer Vorbote eines Vulkanausbruchs. Auf Islands Reykjanes-Halbinsel haben Forschende nun ein System entwickelt, das diese Warnzeichen frühzeitig erkennt: Mit Laserlicht, das durch alte Glasfaserkabel strahlt.
Vom Internet zur Lebensrettung
Das Prinzip klingt wie Science-Fiction, ist aber Realität: Distributed Acoustic Sensing (DAS) verwandelt ungenutzte Glasfaserkabel in hochempfindliche Sensoren. Dazu wird Laserlicht durch die Fasern geschickt, das schon bei winzigen Vibrationen und Deformationen des Bodens messbare Phasenverschiebungen durchläuft. „Unser System konnte Bewegungen im Millimeterbereich in Echtzeit messen“, erklärt Jiaxuan Li, Erstautor der Studie und heute Professor an der University of Houston. Für eine vergleichbare Messgenauigkeit wären normalerweise tausende seismische Sensoren notwendig, deren Installation sehr aufwändig ist. Der DAS-Testaufbau konnte dagegen innerhalb im November 2023 in rekordverdächtigen zehn Tagen eingerichtet werden, nachdem Magma in das Deckgestein aufgestiegen war, was man auch eine „Magmaintrusion“ nennt.
Ein Frühwarnsystem entsteht
Über ein Jahr hinweg sammelte das Team um Zhongwen Zhan von der Caltech Seismological Laboratory Daten über die unterirdische Aktivität. Das Ergebnis: Sie entwickelten ein Frühwarnsystem, das je nach Art der Magmabewegung bis zu mehrere Stunden Vorwarnzeit ermöglicht.
„Eines Tages, im August 2024, ging plötzlich mein Telefon los“, erinnert sich Li. „26 Minuten später bestätigte unsere Kollegin Vala Hjörleifsdóttir aus Reykjavik, dass tatsächlich ein Ausbruch stattgefunden hatte – und dass sie rechtzeitig eine Evakuierungswarnung verschickt hatten.“
Bedrohung und Chance auf der Reykjanes-Halbinsel
Seit November 2023 hat es auf der Reykjanes-Halbinsel acht Eruptionen gegeben, manche davon bedrohlich nah an bewohnten Gebieten wie Grindavík. Die Region könnte, so befürchten Wissenschaftler, in eine jahrelange Phase erhöhter vulkanischer Aktivität eintreten. „Dies ist das aktivste Vulkansystem Islands“, sagt Zhan. „Und wir sehen mehr Magmaintrusionen, die nicht an die Oberfläche gelangen, als ursprünglich gedacht.“
Die neue Technologie erlaubt nicht nur, rechtzeitig vor einer Gefahr zu warnen, sondern gibt auch tiefe Einblicke in das Verhalten von Magma unter der Erde – Informationen, die mit bisherigen Methoden wie GPS oder Satellitenbeobachtung nicht erreichbar waren.
Grenzenlose Zusammenarbeit
Das Projekt wäre ohne enge internationale Zusammenarbeit nicht möglich gewesen: Caltech arbeitete mit isländischen Wissenschaftlern, Telekommunikationsunternehmen und Experten von Google und NASA zusammen. „Unsere Arbeit zeigt die Kraft internationaler Kooperation“, betont Zhan. Die Forschenden sind sich einig: DAS könnte weltweit eingesetzt werden – überall dort, wo Glasfaserkabel unter der Erde liegen. In Zeiten zunehmender Naturgefahren könnte ausgerechnet die Infrastruktur, die unsere digitale Welt am Laufen hält, zum Wächter über Leben und Sicherheit werden.
Frühwarnsysteme mit Glasfaser – das Wichtigste
- Technologie: Distributed Acoustic Sensing (DAS)
- Funktionsweise: Der Phasenwechsel von Laserlicht, das durch Glasfaserkabel strahlt, zeigt kleinste Bodenbewegungen an
- Anwendungsgebiet: Erkennung von Magmaintrusionen und drohenden Vulkanausbrüchen
- Vorteil: Frühwarnzeit von 30 Minuten bis zu mehreren Stunden
- Pilotprojekt: Reykjanes-Halbinsel, Island, 2024–2025
Originalstudie:
Li, Jiaxuan et al.: Minute-scale Dynamics of Recurrent Dike Intrusions in Iceland with Fiber-Optic Geodesy. In: Science, 24. April 2025. DOI: 10.1126/science.adu0225
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
Letzte Beiträge
Vulkanologie28. April 2025Laserlicht warnt vor Vulkanausbrüchen
Diversität28. April 2025Mehr Frauen an der Spitze: Deutsche Hochschulen im Wandel
Astronomie28. April 2025Super-Erden überall: Astronomen finden erdähnliche Planeten in großer Zahl
Künstliche Intelligenz28. April 2025Schneller denken: Abkürzung für KI-Rechenprozesse in Sicht
Schreibe einen Kommentar