Krebszellen jagen, Mikroplastik sammeln: Mikroskopische Roboter könnten bald Wirklichkeit werden

Krebszellen jagen, Mikroplastik sammeln: Mikroskopische Roboter könnten bald Wirklichkeit werden

Mini-Roboter sammeln sich um eine Krebszelle herum, um sie zu zerstören: so könnte die Medizin der Zukunft aussehen.

(Bild: Redaktion/GPT4o)


Sie passen durch die kleinsten Kanäle, sehen aus wie bewegte Pünktchen unter dem Mikroskop – und tragen das Potenzial in sich, Medizin, Umwelttechnik und Materialforschung zu revolutionieren. Die Rede ist von sogenannten „Phoretic Janus Particles“, winzigen, selbstangetriebenen Robotern, die sich durch Flüssigkeiten bewegen können. Stewart Mallory, Chemiker und Ingenieur an der Penn State University, ist überzeugt: „Diese Partikel sind ideal für Anwendungen, bei denen zielgerichtete, mikroskopische Bewegung gefragt ist.“

Einzelgänger im Stau

Doch bevor die Mini-Maschinen zum Einsatz kommen können, müssen sie verstanden werden – bis ins kleinste Detail. Mallorys Team beschäftigt sich daher mit einem altbekannten Phänomen: Stau. Genauer gesagt: Single-File-Dynamiken. Wie Teilchen, die sich in engen Röhren bewegen und einander nicht überholen können, verhalten sich auch Autos im Berufsverkehr oder Menschen in Warteschlangen. „Das ist ein uraltes Problem der Statistikphysik“, sagt Mallory. „Wenn Teilchen nicht aneinander vorbeikommen, müssen wir genau wissen, wie weit sie sich in einer bestimmten Zeit bewegen können.“ Diese Berechnung sei essenziell – etwa für die gezielte Medikamentenabgabe in Blutgefäßen.

Partikel mit Doppelseele

Im Fokus der Forschenden stehen Janus-Partikel – benannt nach dem römischen Gott der Übergänge. Ihre zwei chemisch unterschiedlichen Seiten ermöglichen es ihnen, sich selbstständig fortzubewegen. „Stellen Sie sich ein winziges U-Boot vor“, erklärt Mallory, „das auf einer Seite Wasser ansaugt und auf der anderen ausstößt.“ Durch gezielte chemische Anpassungen lässt sich die Bewegungsrichtung steuern – ein Prinzip, das auf bio-kompatible Kraftstoffe wie Glukose ebenso angewendet werden kann wie auf Wasserstoffperoxid.

Krebszellen orten, Mikroplastik jagen

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Einige Partikel erkennen pH-Veränderungen, wie sie von Tumoren verursacht werden, und können so gezielt zu Krebszellen schwimmen – eine Vision für die punktgenaue Medikamentenabgabe. Andere könnten helfen, Mikroplastik aus Gewässern zu filtern. „Diese Teilchen sind wie winzige Spürhunde“, sagt Mallory. „Wir müssen ihnen nur den richtigen Geruch geben – also den chemischen Reiz – und sie finden ihr Ziel.“

Selbstorganisation aus dem Labor

Und die Roboter können noch mehr: sich selbst organisieren. Wie Bauklötze, die sich ohne äußere Hilfe zu Strukturen zusammensetzen, könnten sie künftig beim Aufbau neuer Materialien helfen. „In der Natur ist Selbstorganisation allgegenwärtig“, so Mallory. „Wir versuchen, diesen Mechanismus für die Materialforschung nutzbar zu machen.“ Die Vision: Flüssigkeiten, in denen Partikel zu neuen Strukturen heranwachsen – gesteuert durch präzise Simulationen und chemische Tuningprozesse.

Was sich nach Science-Fiction anhört, wird längst in Modellen berechnet, im Labor getestet und in Fachzeitschriften publiziert. Mit jedem Algorithmus, den Mallorys Team entwickelt, rückt die Zukunft der Mini-Maschinen ein kleines Stück näher.

Was ist „Active Matter“?

Active Matter
Systeme aus Teilchen, die sich selbst fortbewegen – von Bakterien über künstliche Mikroschwimmer bis hin zu winzigen Robotern. Anders als passive Teilchen benötigen sie keine äußere Kraft, sondern erzeugen Bewegung durch interne Prozesse, etwa chemische Reaktionen.

Phoretic Janus Particles
Diese mikroskopischen Partikel bestehen aus zwei chemisch verschiedenen Hälften. Durch Reaktionen an ihrer Oberfläche erzeugen sie chemische Gradienten – und bewegen sich damit selbstständig durchs Medium. Sie gelten als vielversprechend für gezielte medizinische Anwendungen und Umwelttechnik.

Single-File-Dynamik
Ein zentrales Forschungsthema ist die Bewegung in engen Kanälen, in denen Teilchen nicht aneinander vorbeikommen – vergleichbar mit Staus im Straßenverkehr. Diese Einschränkung verändert das Bewegungsverhalten erheblich und muss bei der Entwicklung mikrobiologischer Technologien berücksichtigt werden.

Anwendungen im Blick:
– Medikamententransport im Körper
– Erkennung und Bekämpfung von Krebszellen
– Abbau von Mikroplastik und Schadstoffen
– Entwicklung neuer Materialien durch Selbstorganisation

Infos zur Studie:
Single-file diffusion of active Brownian particles, Journal of Chemical Physics 162, 164902 (2025).
https://doi.org/10.1063/5.0248772

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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