Schon Palantir wurde mit Hilfe der CIA-Investmentsparte gegründet – doch Karp & Co. träumen größer: ein Manhattan-Projekt der KI soll es sein.
(Bild: Cover/Penguin Verlag)
Alexander C. Karp ist kein gewöhnlicher CEO. Der promovierte Philosoph, Mitgründer des Datenanalyse-Unternehmens Palantir und Verfechter westlicher Demokratien spricht lieber über Platon als über Quartalszahlen. Doch in seinem neuen Buch The Technological Republic, das er gemeinsam mit dem Journalisten Nicholas W. Zamiska verfasst hat, schlägt er einen deutlich anderen Ton an: Es ist ein strategischer Weckruf an die Demokratien des Westens – und an das Silicon Valley.
„Die Technologiebranche hat eine affirmative Verpflichtung gegenüber dem Staat, der ihren Aufstieg möglich gemacht hat“, schreiben die Autoren. Was wie ein Bekenntnis zur Kooperation klingt, ist in Wahrheit ein Appell zur Rückbesinnung: auf geopolitisches Denken, technologische Führung – und gemeinsame Verantwortung.
Die Innovationslücke als Risiko
Im Zentrum des Buches steht eine Diagnose: Der Westen hat den Anschluss an seine eigenen Ideale verloren. Als das Silicon Valley sich zunehmend dem Konsumenten zuwandte, zogen sich die Staaten zurück – aus Raumfahrt, militärischer Software, medizinischer Forschung. Es entstand eine „Innovation Gap“, wie es im Buch heißt – die technologische Fortsetzung des alten „Missile Gap“, das in den 1950ern u.a. die Gründung von NASA und ARPA (später: DARPA) auslöste.
„Viele auf beiden Seiten des Grabens bejubelten diese Entwicklung“, schreiben Karp und Zamiska. „Die einen misstrauten der Industrie, die anderen dem Staat.“ Doch dieser Entkopplung sei gefährlich. Nur in der Zusammenarbeit liege die Zukunft der freien Welt.
Ein Oppenheimer-Moment für die KI
Besonders eindringlich wird das Buch, wenn es um die Gegenwart geht. Die Autoren sehen in der Künstlichen Intelligenz kein Spielzeug – sondern eine tektonische Verschiebung. „Wir erleben gerade den Oppenheimer-Moment der KI“, heißt es sinngemäß: den Punkt, an dem Technologie politische Folgen bekommt, weil sie Macht schafft.
Die Sorge ist nicht diffus, sondern konkret: Wenn autoritäre Systeme wie China KI gezielt für Überwachung und geopolitische Kontrolle nutzen, darf der Westen nicht passiv bleiben. Technologie, so das Argument, ist längst Teil der globalen Ordnungspolitik geworden.
Die Rückkehr des militärisch-industriellen Geistes?
Damit ruft das Buch Erinnerungen wach – an Eisenhowers berühmte Warnung vor dem militärisch-industriellen Komplex. Doch Karp und Zamiska drehen die Perspektive: Sie sehen nicht dessen Macht, sondern seine Abwesenheit als Problem. Was ihnen vorschwebt, ist kein Kontrollverlust durch Rüstung – sondern eine gezielte, staatlich geförderte Zukunftsstrategie. Technologisches Unternehmertum als Staatsraison.
Diese Position ruft Widerspruch hervor. Der britische Guardian etwa erkennt in Karps Buch eine „nostalgische Sehnsucht nach der Nachkriegskooperation zwischen Wissenschaft und Staat“ – und eine gewisse „hegemoniale Angst“. Doch vielleicht, so ließe sich erwidern, ist genau diese Angst heute angebracht.
Wer führt die offene Gesellschaft?
Am Ende ist The Technological Republic weniger ein Buch über Technologie als über Realpolitik in Zeiten von KI. Es fragt, wie die offene Gesellschaft bestehen kann – in einer Welt, in der sich technologische und politische Macht immer stärker überlagern. Und es fordert eine unbequeme Neuorientierung: Weg vom Mythos des disruptiven Garagen-Startups – hin zu einer strategischen Verantwortungsgemeinschaft.
Oder wie es Karp formuliert: „Nur eine Union von Staat und Softwareindustrie wird es dem Westen ermöglichen, in diesem Jahrhundert genauso prägend zu bleiben wie im letzten.“
![]() | Alexander C.Karp & Nicholas W.Zamiska: The Technological Republic. Hard Power, Soft Belief, and the Future of the West Penguin Verlag ersch. März 2025, 320 S., 29,99 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
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