Im Vergleich zu früheren Bruchlandungen ein Quantensprung: sanft landet RoboBee mit seinen langen Beinchen auf einem Blatt.
(Bild: Harvard Microrobotics Lab)
Im Harvard Microrobotics Laboratory klingt es wie im Mini-Flugplatz für Insekten: Ein leises Surren, ein kurzer Flügelschlag, dann ein sanftes Plopp. Doch was hier zur Landung ansetzt, ist kein Tier aus der Natur – sondern ein künstliches Wunderwerk. Die „RoboBee“, kaum größer als ein Ein-Cent-Stück, hat erstmals gezeigt, dass sie nicht nur fliegen, sondern auch sicher landen kann. Der Schlüssel dazu: Inspiration aus der Natur – und ein kluger Flugcontroller.
Vorbild mit langen Beinen
Nicht etwa eine Biene, sondern eine Kranichfliege diente dem Team um Christian Chan als Vorbild. Diese zarten Insekten mit ihren langen, gegliederten Beinen landen besonders sanft – eine Eigenschaft, die sich die Forschenden abschauten. „Unsere Plattform ähnelt der Kranichfliege in Größe und Proportion – das war der Ausgangspunkt“, erklärt Chan, der das mechanische Redesign leitete. In mehreren Prototypen testete das Team unterschiedliche Beinsegmente. Das Ergebnis: eine robotische Leichtlandung mit biologischem Vorbild.
Die beweglichen Glieder dämpfen den Aufprall und entlasten die empfindliche Mechanik des Flugroboters, dessen Flügel durch piezoelektrische Aktuatoren bewegt werden – kleine Energiepakete, die leicht brechen, wenn sie unsanft aufprallen.
Intelligenter Anflug dank Flugcontroller
Doch der sanfte Aufprall allein reicht nicht: Auch der Anflug muss stimmen. Bisher war das ein Problem. „Früher haben wir den Roboter einfach ausgeschaltet und gehofft, dass er heil unten ankommt“, sagt Chan rückblickend. Vor allem die Luftverwirbelungen, die durch das Flattern der Flügel kurz über dem Boden entstehen – sogenannte Bodeneffekte – machten eine kontrollierte Landung schwierig.
Deshalb entwickelte das Team rund um Nak-seung Patrick Hyun, inzwischen Professor an der Purdue University, ein verbessertes Steuerungssystem. Es reduziert die Geschwindigkeit beim Anflug und sorgt dafür, dass die RoboBee kontrolliert zur Ruhe kommt – ob auf einer harten Oberfläche oder auf einem Blatt. „Selbst mit den winzigen Flügelschlägen ist der Bodeneffekt spürbar. Nach der Landung kann es zu Hüpfern oder Stürzen kommen“, sagt Hyun. Das neue System verhindert genau das.
Biologie trifft Robotik
Mit dabei im Team: Alyssa Hernandez, Spezialistin für Insektenbewegung. Sie brachte ihr biologisches Know-how ein, um Gelenke zu entwickeln, die den natürlichen Vorbildern nicht nur ähneln, sondern auch deren Funktion nachahmen. „RoboBee ist eine hervorragende Plattform, um Biologie und Robotik zu verbinden“, sagt Hernandez.
Auf dem Weg zur Schwarmintelligenz
Noch ist RoboBee an ein Steuerungssystem angeschlossen. Doch das Ziel ist klar: Autonomie. In Zukunft soll sie sich allein orientieren, selbst navigieren – und in Gruppen arbeiten. „Ich stelle mir vor, wie ganze Schwärme RoboBees durch Gärten summen, Pflanzen bestäuben und dabei präzise und sicher landen“, sagt Chan.
Leicht wie ein Insekt, lernfähig wie ein Roboter
Bis dahin bleibt einiges zu tun. Energieversorgung, Miniaturisierung, Autonomie – alles Baustellen, an denen das Team weiter arbeitet. Doch die erste sanfte Landung markiert mehr als nur einen technischen Erfolg. Sie steht für ein neues Zusammenspiel: Technik, die von der Natur lernt – und sie vielleicht eines Tages schützt.
Die RoboBee auf einen Blick Projektstart: 2009 am Harvard Microrobotics Laboratory Größe: 3 cm Flügelspannweite, 0,1 Gramm Gewicht Antrieb: Piezoelektrische „Muskeln“ Neustes Feature: Kranichfliegen-inspirierte Beine, verbesserter Flugcontroller Anwendungen: Umweltsensorik, Katastrophenhilfe, künstliche Bestäubung Ziel: Autonom fliegende, kollaborierende Mikro-Roboter im Schwarmbetrieb |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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