Fahren in Zukunft Ammoniak-Tanker von Oakajee im sonnigen Westaustralien bis nach Rotterdam, um Deutschland mit grünem Wasserstoff zu versorgen? Die Entfernung wäre kostentechnisch wohl kein Problem… (Bild: Fraunhofer ISE)
Es ist eine karge, sonnenverbrannte Region – und dennoch könnte sie zum Zentrum der europäischen Wasserstoffstrategie werden: Westaustralien hat sich in den letzten Jahren zu einem der aussichtsreichsten Standorte für die Produktion erneuerbaren Wasserstoffs entwickelt. Jetzt zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) gemeinsam mit dem Hafen Rotterdam, diese Region auch als Drehscheibe für Wasserstoffexporte nach Europa dienen könnte.
Ein Knotenpunkt für Ammoniak
Ausgangspunkt der Vision ist der geplante „Mid West Hydrogen Hub“ rund um das Industriegebiet Oakajee. Hier soll eine Infrastruktur entstehen, die nicht nur erneuerbaren Wasserstoff produziert, sondern ihn auch als Ammoniak nach Europa exportiert. „Unsere technisch-ökonomische Analyse einer Ammoniak-Lieferkette nach Deutschland bestätigte, dass die große Entfernung keinen bedeutenden Kostenfaktor darstellt und nur 9 Prozent der Gesamtkosten für Produktion und Lieferung ausmacht“, erklärt Studienautor Marius Holst vom Fraunhofer ISE.
Wasserstoff im Ammoniak-Mantel
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Kurzfristig ist Ammoniak die beste Option, um grünen Wasserstoff über weite Distanzen zu transportieren. Das liegt an der vergleichsweise einfachen Lagerung und Transportfähigkeit des chemischen Verbindungen. Für die Forschenden aus Freiburg steht daher fest: Ammoniak wird ein Schlüsselprodukt der kommenden Wasserstoffwirtschaft.
Doch damit nicht genug: Auch der Export von flüssigem Wasserstoff und Methanol wurde untersucht. Beide Optionen weisen jedoch derzeit noch erhebliche technische und wirtschaftliche Hürden auf. Robert Szolak, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE, sagt: „Zukünftige Kostensenkungen werden nur durch globale Skalierung und technologische Verbesserungen erreicht, nicht durch Zeit. Wir müssen jetzt anfangen, damit dies Wirklichkeit wird.“
Westaustraliens Energiepotenzial
Die Region Oakajee bietet nicht nur strategische Anbindung ans Meer, sondern auch enorme Kapazitäten für die erneuerbare Stromerzeugung. Das Fraunhofer ISE bezifferte das Potenzial der Region auf bis zu 10.000 Terawattstunden aus Solarenergie und 5.700 Terawattstunden aus Windenergie pro Jahr. Theoretisch könnte die Wasserstoffproduktion allein aus Solarenergie 185 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen.
„Bei vollem Ausbau würde das Gebiet einen erheblichen Teil des europäischen Wasserstoffbedarfs decken“, so Holst. Doch nicht nur Deutschland steht als potenzieller Abnehmer auf der Liste. Auch die Niederlande, Frankreich und andere EU-Länder könnten von einer stabilen Wasserstoffversorgung profitieren – vorausgesetzt, die Infrastruktur steht.
Deutschland als Wasserstoffkunde
Schon 2022 hatte die Europäische Union im Rahmen des REPowerEU-Plans das Ziel ausgerufen, bis 2030 bis zu 10 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoff zu importieren. Für Deutschland könnte dies ein entscheidender Schritt sein, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Denn derzeit deckt das Land noch 90 Prozent seines Wasserstoffverbrauchs mit fossilen Brennstoffen.
Die »TrHyHub«-Studie sieht den Hafen von Rotterdam als wichtigstes Drehkreuz für die Wasserstoffimporte aus Australien. Von dort aus könnte der erneuerbare Wasserstoff per Pipeline nach Deutschland gelangen. Konkrete Vorbereitungen gibt es bereits: Im September 2024 haben die Bundesrepublik Deutschland und Australien ein Finanzierungsabkommen über 400 Millionen Euro unterzeichnet, um diese Lieferketten zu realisieren.
Kurzinfo: Westaustralien –
Wasserstoff-Drehscheibe für Europa?
- Projekt: Mid West Hydrogen Hub, Oakajee
- Wasserstoffträger: Ammoniak, flüssiger Wasserstoff, Methanol
- Potenzial: 10.000 TWh Solarstrom, 5.700 TWh Windstrom
- Produktionskapazität: 185 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr
- Deutschland als Abnehmer
- Absichtserklärung zur Wasserstoffkooperation: 400 Millionen Euro
Weitere Informationen: https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/trhyhub.html
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- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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