Denn die im Dunkeln sieht man nicht: bestehen Galaxien vor allem aus dunkler Materie, sind die wenigen Sterne insgesamt so leuchtschwach, dass sie mit Teleskopen nicht beobachtet werden können. Astronomen sind deswegen auf indirekte Hinweise angewiesen.
(Bild: Francine Marleau)
Sie ist da – aber kaum zu sehen: Mit Candidate Dark Galaxy-2, kurz CDG-2, haben Astrophysiker:innen eine Galaxie im Perseushaufen entdeckt, die fast vollständig im Dunkeln liegt. Kein leuchtendes Zentrum, kein sichtbarer Spiralarm, kein auffälliger Sternenkranz. Stattdessen: Kugelsternhaufen, wie leuchtende Brotkrumen auf einer kaum wahrnehmbaren Bahn. Ein Team um die Innsbrucker Astrophysikerin Francine Marleau hat nun erstmals eine Galaxie nicht durch ihr Licht entdeckt, sondern durch ihre Begleiter – und damit ein neues Kapitel in der Suche nach Dunkler Materie aufgeschlagen. Die Entdeckung stützt sich auf Beobachtungsdaten des Hubble-Weltraumteleskops und der aktuellen Euclid-Mission. Was das Forschungsteam im Zentrum des Perseushaufens aufspürte, hat das Potenzial, unser Verständnis von Galaxienentstehung grundlegend zu verändern.
Kugelsternhaufen als kosmischer Fingerzeig
Auffällig war zunächst eine räumliche Verdichtung von Kugelsternhaufen – dichten, alten Sternenansammlungen, die typischerweise Galaxien umkreisen. Sie wirkten wie eine Gruppe ohne Zentrum – ein Rätsel. Erst die Kombination statistischer Methoden mit extrem lichtempfindlichen Teleskopdaten brachte Klarheit: Es musste ein unsichtbarer Gravitationsanker vorhanden sein.
„CDG-2 ist die erste Galaxie, die ausschließlich durch ihre Kugelsternhaufen identifiziert wurde, und sie gehört zu den lichtschwächsten bekannten Galaxien, die solche Haufen umgeben“, erklärt Francine Marleau. Sie hatte die ungewöhnliche Struktur in Aufnahmen der Euclid-Mission entdeckt – einem Teleskop, das speziell für die Suche nach Dunkler Materie entwickelt wurde.
Eine Galaxie fast ohne Licht
Was das Objekt so besonders macht, ist seine Zusammensetzung: CDG-2 strahlt kaum eigenes Licht aus. Wissenschaftliche Modelle legen nahe, dass bis zu 99,99 Prozent ihrer Masse aus Dunkler Materie bestehen – jener mysteriösen Substanz, die das Universum zwar prägt, sich aber kaum direkt nachweisen lässt. Der kleine Rest an sichtbarem Licht stammt fast ausschließlich aus den Kugelsternhaufen – und das in einer bislang nie gemessenen Intensität.
„Diese Entdeckung liefert klare Belege dafür, dass Galaxien innerhalb reiner Dunkle-Materie-Halos entstehen können, in denen sichtbare Sterne nur in dichten, alten Sternhaufen vorkommen“, sagt David Li von der Universität Toronto, Erstautor der Studie. „Unsere Arbeit eröffnet ein neues Fenster für das Verständnis der Galaxienentstehung und der Dunklen Materie.“
Ein Glücksfall für die Dunkle-Materie-Forschung
Die Signatur von CDG-2 wurde in gleich zwei unabhängigen Beobachtungen gefunden – eine Seltenheit bei so schwachen Objekten. In den kombinierten Bildern des Hubble-Teleskops und der Euclid-Mission zeigte sich eine extrem diffuse, aber konsistente Leuchtausdehnung – der endgültige Beweis, dass es sich nicht nur um eine zufällige Anhäufung handelt.
Für die Wissenschaft ist das ein Glücksfall: Galaxien wie CDG-2 könnten helfen, theoretische Modelle der Dunklen Materie zu überprüfen – etwa das „fuzzy dark matter“-Modell, bei dem ultraleichte Teilchen das Universum durchdringen wie eine Art kosmisches Nebelmeer.
Statistische Neugier statt optischer Suche
Besonders bemerkenswert an der Entdeckung ist die Methode: Statt nach Licht zu suchen, fokussierten sich die Forschenden auf mathematisch auffällige Häufungen von Kugelsternhaufen – und umgingen damit die klassischen Grenzen der Astronomie. Denn diffuse, fast unsichtbare Galaxien wie CDG-2 fallen in herkömmlichen Bildanalysen oft durch das Raster.
Diese Methode könnte nun systematisch auf andere Himmelsregionen angewendet werden. CDG-2 könnte also nur der Anfang einer ganzen Klasse nahezu dunkler Galaxien sein, die bislang im Hintergrundrauschen verborgen lagen – stumme Träger kosmischer Masse.
Der dunkle Rand der Erkenntnis
Noch wissen wir kaum etwas über Galaxien wie CDG-2. Wie sie entstehen, wie lange sie bestehen, welche Rolle sie in der Entwicklung des Universums spielen – all das steht zur Debatte. Sicher ist nur: Ihre Existenz ist ein starker Hinweis darauf, dass Sterne auch ganz anders geboren werden können, als in den klassischen Modellen vorgesehen.
Vielleicht, so spekulieren manche, sind diese unsichtbaren Riesen sogar häufiger als gedacht. Und vielleicht erzählen gerade sie uns am klarsten, was Dunkle Materie wirklich ist.
CDG-2 auf einen Blick:
- Name: Candidate Dark Galaxy-2 (CDG-2)
- Lage: Perseus-Galaxienhaufen
- Entdeckung: durch Kugelsternhaufen, nicht sichtbares Licht
- Methode: Kombination aus Statistik und Beobachtungsdaten (Hubble, Euclid)
- Besonderheit: extrem lichtschwach, sichtbar nur durch Kugelsternhaufen
- Dunkle Materie: geschätzt 99,99 Prozent der Gesamtmasse
- Bedeutung: neuer Nachweis, dass Galaxien in reinen Dunkle-Materie-Halos entstehen können
Originalpublikation:
Francine Marleau et al.,
„Candidate Dark Galaxy-2: Validation and Analysis of an Almost Dark Galaxy in the Perseus Cluster“,
in: Astrophysical Journal Letters (2025)
DOI: 10.3847/2041-8213/adddab
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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