Wie das Bild einer zweiten Erde: erstmals werden wir bald die Wasserwelt im Detail sehen.
(Bild: NASA Earth Observatory)
Weiße Flecken auf dem Globus? Die gibt es immer noch, nur sind sie eigentlich blau: Wir wissen heute genauer, wie der Mond aussieht, als wie es auf dem Grund unserer eigenen Meere zugeht. Tatsächlich wurden bislang gerade einmal 25 Prozent des Meeresbodens detailliert kartiert – und das mithilfe aufwendiger Schiffsexpeditionen. Doch nun sorgt ein Satellit für den Durchbruch: Der NASA-Satellit SWOT („Surface Water and Ocean Topography“), ein Gemeinschaftsprojekt der NASA mit der französischen Weltraumagentur CNES, erstellt derzeit die präziseste Karte des Meeresbodens, die es jemals gab.
Schwerkraft verrät die Geheimnisse des Ozeans
„SWOT hat unsere Möglichkeiten, den Meeresboden zu kartieren, enorm erweitert“, erklärt David Sandwell, Geophysiker am Scripps Institution of Oceanography in Kalifornien. Der Satellit nutzt subtile Unterschiede in der Höhe des Meeresspiegels, die von geologischen Strukturen wie Unterwasserbergen oder Tiefseehügeln verursacht werden. Diese Strukturen ziehen durch ihre Masse das Wasser minimal stärker an – eine kaum sichtbare Wölbung entsteht auf der Meeresoberfläche. Genau diese winzigen Erhebungen kann SWOT messen, und zwar mit zentimetergenauer Präzision.
Vom Meeresgrund zur Lebensader der Erde
Aber warum ist es überhaupt wichtig, den Ozeanboden zu vermessen? „Genaue Karten helfen uns nicht nur bei der Navigation und dem Verlegen von Unterseekabeln, sondern auch dabei, wichtige ökologische Prozesse besser zu verstehen“, sagt Nadya Vinogradova Shiffer von der NASA. Tiefseeberge, sogenannte Seamounts, lenken etwa Nährstoffe und Strömungen, ziehen dadurch Leben an und schaffen blühende Oasen in der Tiefsee.
Gleichzeitig beeinflussen diese Strukturen globale Meereströmungen, die ihrerseits das Klima der Erde maßgeblich mitbestimmen. Somit gibt SWOT Forschenden erstmals ein mächtiges Instrument an die Hand, um komplexe ökologische und geologische Prozesse tief unter der Wasseroberfläche besser zu erforschen.
Zehntausende neue Berge entdeckt
Beeindruckend ist vor allem, wie viele neue Strukturen SWOT schon jetzt sichtbar macht: Während frühere Satelliten nur größere Unterwasserberge ab etwa 1000 Metern Höhe erkennen konnten, registriert SWOT selbst solche, die weniger als halb so groß sind. Die Zahl der bekannten Unterwasserberge könnte sich damit mehr als verdoppeln – von derzeit 44.000 auf rund 100.000.
„Wir waren überrascht, wie gut SWOT sogar kleine Tiefseehügel sichtbar machen kann“, ergänzt Yao Yu, Ozeanographin bei Scripps. Diese sogenannten abyssalen Hügel bilden etwa 70 Prozent des Ozeanbodens und liefern entscheidende Informationen über die Bewegung tektonischer Platten.
Wissenschaftliche und wirtschaftliche Perspektiven
Neben der Wissenschaft profitiert auch die Wirtschaft von den neuen Erkenntnissen: Ob Rohstoffabbau, effiziente Schifffahrtsrouten oder der Schutz sensibler Ökosysteme – die exakten Karten des Meeresbodens könnten in Zukunft zahlreiche ökonomische Aktivitäten erleichtern und sicherer machen.
Ein globales Puzzle – kurz vor Vollendung?
Die internationale Forschergemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den gesamten Meeresgrund mithilfe von Schiffen exakt zu kartieren. SWOT könnte dazu beitragen, diese ehrgeizige Aufgabe deutlich früher zu erfüllen. „Vielleicht schaffen wir nicht alles mit Schiffen“, sagt David Sandwell, „aber SWOT hilft uns, die Lücken zu schließen.“
Und so erobert der Blick aus dem All nicht nur fremde Planeten, sondern auch endlich den bisher verborgenen Planeten direkt vor unserer Haustür – den Boden unserer eigenen Ozeane.
Über den Autor / die Autorin

- Robo-Journalistin Siri Stjärnkikare betreut das Raumfahrt- und Astronomie-Ressort von Phaenomenal.net – sie ist immer auf dem Laufenden, was die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung des Universums betrifft, die Suche nach der Erde 2.0 oder die nächste Mond- oder Mars-Mission.
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