Artensterben verlangsamt sich – Schutzmaßnahmen zeigen offenbar Wirkung

Artensterben verlangsamt sich – Schutzmaßnahmen zeigen offenbar Wirkung

Die aktuelle Situation ist offenbar nicht mit „Mass Extinctin Event“ wie einem Meteoriteneinschlag vergleichbar – einen Grund für den Rückgang der Aussterberaten sehen die Forschenden in verstärkten Schutzmaßnahmen.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Kurzinfo: Verlangsamtes Artensterben – was die Studie zeigt

  • Forschende der University of Arizona analysierten Daten von rund zwei Millionen Arten
  • 912 dokumentierte Aussterben der letzten 500 Jahre ausgewertet
  • Höhepunkt des Artensterbens um 1900, seither Rückgang
  • Früher invasive Arten Hauptursache, heute Lebensraumverlust
  • Keine Belege für klimabedingte Aussterben im 19. und 20. Jahrhundert
  • Bedrohung bleibt hoch, aber differenziert zu betrachten
  • Schutzmaßnahmen zeigen messbare Wirkung
  • Studie plädiert für realistische statt apokalyptische Perspektiven

Die Vorstellung vom unaufhaltsam beschleunigten Artensterben prägt seit Jahren Schlagzeilen – vom „sechsten Massensterben“ ist die Rede. Doch eine neue Analyse rückt das Bild zurecht: Laut Forschenden der University of Arizona haben sich die Aussterberaten vieler Pflanzen- und Tiergruppen über die letzten Jahrhunderte hinweg verlangsamt.

Ein Blick zurück: Der Höhepunkt liegt ein Jahrhundert zurück

Die Studie von Kristen Saban und John Wiens, erschienen in den Proceedings of the Royal Society of London, wertete Daten von fast zwei Millionen Arten aus. Das Team untersuchte 912 dokumentierte Auslöschungen der vergangenen 500 Jahre – und fand eine überraschende Tendenz: Die Aussterberaten erreichten ihren Höhepunkt um das Jahr 1900 und sind seither rückläufig. Besonders bei Pflanzen, Gliederfüßern und Landwirbeltieren zeigt sich diese Entspannung.

Wiens erklärt: „Wir zeigen, dass die Aussterberaten nicht immer weiter steigen, wie oft behauptet wird, sondern vor Jahrzehnten ihren Höhepunkt hatten.“ Besonders eindrücklich sei der Befund, dass sich diese Entwicklung seit mehr als hundert Jahren fortsetzt.

Ursachen im Wandel der Zeit

Die Forschenden argumentieren, dass frühere Prognosen auf fragilen Annahmen beruhten – nämlich auf der Extrapolation vergangener Aussterbemuster in die Zukunft. Doch die Ursachen haben sich verschoben. Früher waren invasive Arten auf abgelegenen Inseln die Hauptgefahr, heute ist es die Zerstörung natürlicher Lebensräume.

„Wir haben entdeckt, dass die Ursachen der vergangenen Aussterben ganz andere waren als die Bedrohungen, denen Arten heute ausgesetzt sind,“ sagt Wiens. Inselarten litten besonders unter Ratten, Schweinen und Ziegen, die durch den Menschen eingeschleppt wurden. Auf Kontinenten hingegen spielt der Verlust von Lebensräumen durch Landwirtschaft, Städtebau und Infrastruktur die größte Rolle.

Klimawandel: Bedrohung, aber noch kein historischer Treiber

Bemerkenswert ist auch, was die Studie nicht fand: In den letzten 200 Jahren gibt es keine eindeutigen Belege für klimabedingte Aussterben. Doch Wiens warnt vor falscher Sicherheit: „Das bedeutet nicht, dass der Klimawandel keine Bedrohung ist – nur, dass vergangene Aussterben noch nicht widerspiegeln, was uns bevorsteht.“

Damit bleibt der Klimawandel ein möglicher Beschleuniger künftiger Verluste, auch wenn sein Einfluss in den historischen Daten noch nicht sichtbar ist.

Differenzierte Sicht statt Weltuntergangsstimmung

Saban, die inzwischen an der Harvard University promoviert, betont, dass ihre Studie kein Freibrief sei, das Problem kleinzureden. „Der Verlust der Biodiversität ist ein riesiges Problem. Aber wir sollten darüber mit Genauigkeit sprechen und auf solider wissenschaftlicher Grundlage handeln.“ Ziel der Arbeit sei es, eine faktenbasierte Perspektive zu fördern – und Panik durch Präzision zu ersetzen.

Hoffnung durch Naturschutz

Einen Grund für den Rückgang der Aussterberaten sehen die Forschenden in verstärkten Schutzmaßnahmen. „Viele Menschen arbeiten hart daran, Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Und wir haben Belege, dass Investitionen in den Naturschutz wirken,“ so Wiens.

Saban ergänzt: „Wenn wir das Artensterben wie einen Asteroideneinschlag beschreiben, erscheint das Problem unlösbar. Doch ein differenzierter Blick zeigt, dass wir handeln und etwas verändern können.“

So plädiert die Studie letztlich nicht für Entwarnung, sondern für einen nüchternen Realismus: Das Artensterben ist kein stetig beschleunigter Absturz – aber es bleibt ein dringender Auftrag, den Schwund der Vielfalt aufzuhalten.


Originalpublikation:

Kristen Saban et al.,

Unpacking the extinction crisis: rates, patterns and causes of recent extinctions in plants and animals

DOI: 10.1098/rspb.2025.1717

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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