Kushners neue Spy-Novel ist inspiriert von Genre-Größen
wie John le Carré oder Jean-Patrick Manchette.
(Bild: Cover/Scribner)
Eine amerikanischer Spionin auf französischem Boden, eine doppelbödige Liebesgeschichte und ein geheimnisvoller Mentor – Rachel Kushners neuer Roman „Creation Lake“ führt die Leserinnen und Leser in eine Welt, in der niemand der ist, der er zu sein scheint. Kushner, die bereits zweimal für den Booker Prize und den National Book Award nominiert war, bleibt ihrem Stil treu: Sie verwebt packende Geschichten mit politischen Untertönen und lässt ihre Figuren mit den großen Fragen der Gegenwart ringen.
Eine Agentin im Ausnahmezustand
Sadie Smith, eine 34-jährige Amerikanerin, ist auf Mission. Sie tarnt sich als Aktivistin und infiltriert eine französische Öko-Kommune, die sich radikalisiert hat. Ihr Auftrag: Informationen sammeln, provozieren und manipulieren. Sadies Mentor ist ein namenloser Auftraggeber aus dem Schatten des Systems. Doch wer ist wirklich die Marionette in diesem Spiel? Sadies innere Zerrissenheit wird immer deutlicher: Während sie ihre Rolle als Spionin perfektioniert, beginnt sie, selbst an ihrer Identität zu zweifeln. Ist sie noch Sadie Smith – oder längst eine andere?
Gefangen im Netz der Intrigen
In Frankreich trifft Sadie auf Lucien, einen jungen, charismatischen Pariser, der sich in sie verliebt. Doch ihre Begegnung war kein Zufall, sondern eine inszenierte Annäherung. Für Sadie ist Lucien ein Mittel zum Zweck, ein Spielball in einem großen Plan. Doch während sie die Fäden zieht, gerät sie selbst in ein Netz aus Täuschungen. Je tiefer sie in Luciens Leben eindringt, desto größer wird die Gefahr, dass auch er ihr wahres Gesicht erkennt. Was passiert, wenn die Maske fällt? Und wie lange kann Sadie ihr doppeltes Spiel noch aufrechterhalten?
Ein Stil zwischen Noir und Poesie
Rachel Kushner versteht es wie kaum eine andere Autorin, die Abgründe der menschlichen Seele literarisch zu durchleuchten. In „Creation Lake“ kombiniert sie die düstere Atmosphäre eines Noir-Romans mit einer sprachlichen Präzision, die an poetische Prosa erinnert. Bereits in ihren früheren Werken wie „The Flamethrowers“ und „The Mars Room“ hat sie gezeigt, wie meisterhaft sie soziale Fragen mit packender Handlung verknüpft. Auch „Creation Lake“ ist mehr als ein Thriller – es ist eine scharfsinnige Studie über Macht, Manipulation und den Verlust der eigenen Identität.
Der Mystiker im Hintergrund
Bruno Lacombe, ein älterer Intellektueller und Mentor der jungen Aktivisten, fasziniert Sadie. Er glaubt an eine Rückkehr zu den archaischen Ursprüngen als wahre Form der Befreiung. Seine Erzählungen von einer verlorenen Vergangenheit beginnen, Sadies Wahrnehmung zu verändern. Ist Bruno wirklich ein Freiheitskämpfer oder nur ein weiterer Manipulator? Während Sadie sich zunehmend zu ihm hingezogen fühlt, beginnt sie, ihre eigene Rolle zu hinterfragen. Was, wenn Bruno nicht derjenige ist, der manipuliert – sondern sie selbst? Was, wenn die Mission eine Lüge ist?
Die große Frage nach Wahrheit und Täuschung
Ist Sadie eine eiskalte Strategin oder doch eine Getriebene? Ist Lucien wirklich naiv oder selbst ein Spion? Und was führt Bruno Lacombe im Schilde? Rachel Kushner schafft es meisterhaft, diese Fragen offen zu lassen und den Lesenden am Ende mehr Fragen als Antworten mit auf den Weg zu geben. „Creation Lake“ ist ein Roman, der weniger Antworten liefert, als dass er Fragen aufwirft – Fragen nach Identität, Macht und der Unmöglichkeit, die eigene Vergangenheit abzuschütteln
![]() | Rachel Kushner, Creation Lake Scribner ersch. 2025 320 S., 24,00 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
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