Gilded Rage ist kein Buch über Technik, sondern vor allem über Macht, und insofern natürlich auch über neue Macht-Techniken. Es erzählt, wie aus Erfindern und Digital-Unternehmern politische Akteure wurden und wie sich eine Branche, die die Welt zum Positiven verändern wollte, selbst politisch radikalisiert hat.
(Bild: Coverdetail/Bloomsbury)
Zu diesem Beitrag gibt es auch einen Podcast.
Kurzinfo: Gilded Rage – Elon Musk and the Radicalization of Silicon Valley
- Autor: Jacob Silverman, Journalist und Essayist aus New York
- Zentrales Thema: Politische Radikalisierung der Tech-Elite rund um Elon Musk
- Schauplätze: Silicon Valley, Austin, Miami, Washington D.C.
- Stil: Investigativ, analytisch, teils satirisch
- Perspektive: Kritik an Macht, Ideologie und Selbstbild der Tech-Milliardäre
- Bedeutung: Beitrag zum Verständnis der neuen Allianz von Technologie und rechter Politik
- Ergänzt Studien zu Tech-Populismus und digitaler Machtkonzentration
- Zielgruppe: Leserinnen und Leser mit Interesse an Politik, Medien und digitaler Kultur
Im Silicon Valley war Wut lange kein Geschäftsmodell. Doch nun ist sie Programm. In seinem neuen Buch Gilded Rage: Elon Musk and the Radicalization of Silicon Valley beschreibt der Journalist Jacob Silverman, wie aus den Traumtänzern der Tech-Utopie politische Akteure geworden sind – und wie die Zukunft des Digitalen immer stärker nach Autoritarismus riecht.
Vom Erfindergeist zur Empörungsindustrie
Silverman zeichnet die Wandlung einer Region nach, die einst für Fortschritt, Innovation und grenzenlosen Optimismus stand. Heute bestimmen Namen wie Elon Musk, Peter Thiel oder JD Vance das Bild – Männer, die Technologie als Werkzeug der gesellschaftlichen Umgestaltung begreifen. Doch statt Aufbruch herrscht Zynismus: „Die globalen Innovatoren haben die Welt in der Hand, aber sie ertragen ihre eigene Berührung nicht“, schreibt Silverman. Das einstige Silicon Valley der Ideen ist zu einem Machtzentrum geworden, in dem Emotionen, Kapital und politische Ambitionen verschmelzen.
Elon Musk als Symptom
Im Zentrum steht Elon Musk – nicht als alleiniger Dämon, sondern als Symptom einer ideologischen Verschiebung. Silverman zeigt, wie Musks Kampf gegen den „woke mind virus“ mehr ist als Social-Media-Theater: Es ist Teil eines Kulturkampfes, der Tech-Macht in politische Macht verwandeln will. Seine Übernahme von X (vormals Twitter) wird zum Labor für reaktionäre Ideen, sein Griff nach der öffentlichen Meinung zur Selbstermächtigung. Musk erscheint als Figur zwischen Genie und Populist, zwischen Iron Man und Ikarus – einer, der gefallen ist, ohne es zu merken.
Das Netzwerk der neuen Oligarchen
Doch Gilded Rage bleibt nicht bei Musk stehen. Silverman kartografiert ein Netzwerk aus Unternehmern, Finanzinvestoren und politischen Strippenziehern – von Miami bis Washington D.C. –, die sich als Rebellen gegen das Establishment inszenieren, während sie ihre eigene Macht zementieren. Peter Thiel, Mitgründer von PayPal und Palantir, wird zum Stichwortgeber einer libertären Rechten, die das Silicon Valley längst politisch geprägt hat. In dieser Welt sind künstliche Intelligenz, Kryptowährungen und Biohacking nicht nur Innovationen, sondern ideologische Werkzeuge – Ausdruck eines techno-darwinistischen Denkens, das Freiheit als Privileg versteht.
Zwischen Satire und Warnung
Silverman gelingt das Kunststück, investigative Schärfe mit dunklem Humor zu verbinden. Seine Reportagen aus San Francisco, Austin oder New York lesen sich wie Szenen einer grotesken Revue, in der Milliardäre populistische Revolten predigen – während sie selbst die Regeln diktieren. Es sind absurde, aber gefährlich einflussreiche Figuren, die in Podcasts und auf Plattformen den Geist des Silicon Valley neu definieren. Der Autor hält ihnen den Spiegel vor, ohne in einfache Feindbilder zu verfallen. Statt moralischer Entrüstung liefert er Analyse – präzise, sarkastisch, journalistisch.
Eine Lektüre für das digitale Jahrzehnt
Gilded Rage ist kein Buch über Technik, sondern über Macht, und insofern natürlich auch über neue Macht-Techniken. Es erzählt, wie aus Erfindern politische Akteure wurden und wie sich eine Branche, die die Welt verändern wollte, selbst radikalisiert hat. Silverman öffnet den Blick auf eine Zukunft, in der der Code nicht mehr Fortschritt, sondern Kontrolle verspricht. Es ist eine warnende Bestandsaufnahme – und eine Erinnerung daran, dass Technologie nie neutral ist.
![]() | Jacob Silverman, Gilded Rage: Elon Musk and the Radicalization of Silicon Valley, Bloomsbury, ersch. Oktober 2025, 400 Seiten, 29 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
Letzte Beiträge
Buchtipp17. Oktober 2025[Buchtipp] Wutadel des Silicon Valley: Jacob Silverman über Elon Musk & die neue Tech-Rechte
Buchtipp10. Oktober 2025[Buchtipp] Wie Naturschutz und Biodiversität von KI profitieren können
Verkehrswende26. September 2025[Buchtipp] Picknick auf der Autobahn, oder: So geht die Mobilität von morgen
Buchtipp19. September 2025[Buchtipp] Der trügerische Fortschritt – Markus Albers über die „Optimierungslüge“ im modernen Arbeitsalltag
Schreibe einen Kommentar