„Dunkle Zwerge“ könnten helfen, das Rätsel der dunklen Materie lösen

„Dunkle Zwerge“ könnten helfen, das Rätsel der dunklen Materie lösen

Gibt es dunkle Materie? Eine exotische Art von Sternen könnte Licht ins Dunkel bringen: sogenannte „Dunkle Zwerge“ erzeugen ihre Energie nicht aus Kernfusion, sondern aus Wechselwirkungen dunkler Materie. Die Jagd nach diesen Sternen wäre etwa mit Hilfe des James-Webb-Weltraumteleskops möglich.

(Bild: Sissa Medialab, Lizenz: CC BY)


Sie sind leicht, leuchten schwach – und könnten doch Licht ins dunkelste Kapitel der modernen Physik bringen. Im Zentrum der Milchstraße vermuten Forschende eine besondere Population von Himmelskörpern, die sie „Dunkle Zwerge“ („Dark Dwarfs“) nennen. Was auf den ersten Blick nach Zwergensternen klingt, ist in Wahrheit ein astrophysikalischer Testfall: für die Existenz Dunkler Materie – und für eine bestimmte Theorie darüber, was sie sein könnte.

Ein kosmisches Schattenspiel

Rund 25 Prozent des Universums sollen aus sogenannter Dunkler Materie bestehen – einer Substanz, die sich weder sehen noch messen lässt, sondern nur über ihre Schwerkraft wirkt.
Wir denken, dass ein Viertel des Universums aus einer Art Materie besteht, die kein Licht aussendet und für unsere Augen und Teleskope unsichtbar bleibt. Wir spüren sie nur über ihre gravitativen Effekte“, erklärt Jeremy Sakstein, Physikprofessor an der University of Hawai‘i.

Seit Jahrzehnten rätseln Forschende über die Natur dieser unsichtbaren Masse. Woraus besteht sie? Warum lässt sie sich nicht nachweisen? Und welche Rolle spielt sie für die Entwicklung von Galaxien, Sternen und Planeten?

Wenn Materie Sterne speist – ganz ohne Fusion

Die neue Studie von Sakstein und seinen Kolleginnen und Kollegen schlägt einen faszinierenden Umweg vor: Wenn es gelänge, sogenannte „Dunkle Zwerge“ aufzuspüren, könnten diese indirekt Hinweise auf die gesuchte Materie liefern.

Normalerweise strahlen Sterne, weil in ihrem Inneren Atomkerne miteinander verschmelzen und dabei Energie freisetzen. Das funktioniert allerdings nur bei ausreichend großer Masse. „Dunkle Zwerge“ hingegen sind Leichtgewichte – mit gerade einmal acht Prozent der Sonnenmasse.
Solch geringe Masse reicht nicht aus, um Fusionsprozesse auszulösen“, erklärt Sakstein. Deshalb gelten sie als „Braune Zwerge“ – Himmelskörper, die kaum leuchten, weil sie lediglich durch ihren Eigenschwere etwas Wärme erzeugen.

Doch genau hier beginnt die Abweichung: In besonders dichten Regionen der Galaxis – etwa nahe dem Zentrum – könnten diese Braunen Zwerge Dunkle Materie aus der Umgebung einsammeln. Und damit beginnt ein völlig anderer Prozess.

Ein Stern mit dunklem Motor

Dunkle Materie wirkt gravitativ. Sie kann also von Sternen eingefangen und in deren Innerem angereichert werden“, so Sakstein. Entscheidend ist: Wenn diese Materie – wie in einem bestimmten Modell angenommen – aus sogenannten WIMPs besteht (Weakly Interacting Massive Particles), dann könnten sich diese Teilchen im Stern gegenseitig vernichten. Die dabei frei werdende Energie würde den Stern aufheizen – ohne jede Fusion.

Je mehr Dunkle Materie im Umfeld ist, desto mehr kann sich im Inneren eines Objekts ansammeln und desto heller leuchtet es“, so Sakstein. Der hypothetische „Dunkle Zwerg“ wäre also ein leuchtender Hinweis auf die Existenz einer ganz bestimmten Art von Dunkler Materie.

Ein verräterisches Element

Doch wie ließe sich ein solcher Himmelskörper überhaupt identifizieren? Die Forschenden schlagen ein chemisches Merkmal vor: Lithium-7.
Lithium-7 verbrennt in gewöhnlichen Sternen sehr schnell. Wenn man also ein Objekt findet, das aussieht wie ein Dark Dwarf, aber noch Lithium enthält, wäre das ein starkes Indiz“, erklärt Sakstein.

Teleskope wie das James-Webb-Weltraumteleskop könnten bereits in der Lage sein, solche Objekte aufzuspüren – oder zumindest statistisch nach Auffälligkeiten in bestimmten Regionen der Milchstraße zu suchen.

Kein Beweis – aber ein starker Hinweis

Der Nachweis eines „Dunkle Zwerges“ wäre kein abschließender Beweis, wohl aber ein entscheidendes Indiz für das Wesen der Dunklen Materie.
Wenn wir einen Dunklen Zwerg finden, wäre das ein starkes Argument dafür, dass Dunkle Materie aus schweren Teilchen besteht, die miteinander wechselwirken – etwa WIMPs oder ähnliche Modelle“, so Sakstein.
Es würde uns zwar nicht genau sagen, was Dunkle Materie ist – aber zeigen, welche Art von Kandidat am wahrscheinlichsten ist.

Die Suche geht also weiter – aber vielleicht leuchtet irgendwo im galaktischen Zentrum bereits ein Hinweis. Man muss ihn nur ausfindig machen.


Kurzinfo: Was sind „Dark Dwarfs“?

– Begriff aus einer neuen Studie von Sakstein et al. (JCAP, 2024)
– Dunkle Zwerge sind kleine Himmelskörper mit etwa 8 % Sonnenmasse
– Leuchten nicht durch Fusion, sondern durch Energie aus Dunkler Materie
– Voraussetzung: Dunkle Materie besteht aus WIMPs (massereiche Teilchen)
– WIMPs könnten sich im Stern anreichern und gegenseitig vernichten
– Die dabei entstehende Energie heizt den Stern auf
– Möglicher Nachweis über Lithium-7, das in normalen Sternen fehlt
– Beobachtbar z. B. mit James-Webb-Teleskop oder statistisch über Populationen
– Beobachtung würde bestimmte Theorien über Dunkle Materie stützen
– Kein Beweis, aber ein möglicher Wendepunkt der Forschung


Originalstudie:
Jeremy Sakstein et al.,
„Dark Dwarfs: Dark Matter-Powered Sub-Stellar Objects Awaiting Discovery at the Galactic Center“,
in: Journal of Cosmology and Astroparticle Physics (IPPP/24/52, LTH1382)
DOI: 10.48550/arXiv.2408.00822

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Proudly powered by WordPress