Nicht nur die auf Düngemittel angewiesene Landwirtschaft benötigt Ammoniak – der Grundstoff mit der Formel NH3 könnte auch als leicht handhabbare Basis für die Wasserstoff-Wende im Energiesektor dienen.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Blitze als Düngerlieferanten? Was einst nur am Himmel zuckte, könnte bald in silbernen Kisten klimafreundlich Ammoniak erzeugen – einen der wichtigsten chemischen Grundstoffe der Welt. Jedenfalls im übertragenen Sinn. Forschende der University of Sydney haben ein neues Verfahren entwickelt, das Stickstoff aus der Luft mit Hilfe von elektrisch aktivem Plasma in gasförmiges Ammoniak umwandelt. Ein Durchbruch für Landwirtschaft und Industrie – und vielleicht auch für das Klima.
Vom Kriegsgut zum Klimakiller
Ammoniak – chemisch NH₃ – war einst so begehrt, dass Völker darum Krieg führten. Der Grund: Es steckt in Düngemitteln, die für rund die Hälfte der weltweiten Lebensmittelproduktion verantwortlich sind. Seit dem 20. Jahrhundert dominiert das Haber-Bosch-Verfahren die Herstellung: ein energieintensiver Prozess, der Stickstoff und Wasserstoff unter hohem Druck und großer Hitze zu Ammoniak verbindet – und dabei jährlich hunderte Millionen Tonnen CO₂ verursacht.
„Die Industrie hat einen wachsenden Appetit auf Ammoniak“, sagt Professor PJ Cullen von der School of Chemical and Biomolecular Engineering der University of Sydney.
„Seit Jahren sucht die Wissenschaft nach einer nachhaltigeren Alternative, die nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen ist.“
Blitze im Labor
Die Lösung heißt schlicht: ionisiertes Gas, auch als Plasma bekannt. Die Forschenden nutzen dessen freie Ladungsträger, um Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle aus der Luft elektrisch anzuregen – ähnlich wie das bei einem Blitz geschieht. Diese „aktivierten“ Moleküle werden in einen kompakten Reaktor – den sogenannten Membran-Elektrolyseur – geleitet. Dort erfolgt der entscheidende Schritt: Die Moleküle werden in gasförmiges Ammoniak umgewandelt – ohne Umweg über flüssige Zwischenprodukte wie Ammonium, wie sie in früheren Versuchen anderer Labore entstanden.
„In diesem Projekt ist es uns gelungen, Luft direkt in Ammoniakgas zu verwandeln – mit Hilfe von Strom“, erklärt Cullen.
„Das ist ein großer Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel: grünes Ammoniak dezentral und klimafreundlich herzustellen.“
Eine Box für die Wende
Herzstück der Methode ist ein unscheinbares Gerät: eine metallisch glänzende Kiste, kaum größer als ein Mikrowellenherd. In ihr wird die Energie aus dem Plasma in chemische Energie umgewandelt. Das System ist skalierbar, benötigt weder Hochdruckanlagen noch Zugang zu billigem Erdgas – anders als das Haber-Bosch-Verfahren. Es könnte künftig sogar auf Bauernhöfen oder in Häfen stehen.
„Der Clou ist die Kombination aus Plasma und Elektrolyse. Den Plasmaschritt haben wir bereits effizient gemacht“, so Cullen. „Jetzt arbeiten wir daran, auch den Elektrolyseur energetisch zu optimieren – für eine echte nachhaltige Lösung.“
Mehr als Dünger
Doch Ammoniak ist mehr als nur Stickstoffdünger. Es enthält auch Wasserstoff – drei Atome pro Molekül. Damit wird es als potenzieller Energieträger interessant. Ammoniak lässt sich einfacher speichern und transportieren als reiner Wasserstoff. Industrie und Schifffahrt experimentieren bereits mit der Idee, Ammoniak als emissionsfreies Treibmittel zu nutzen.
Die neue Methode könnte somit nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Energiewende befeuern – im wahrsten Sinne. Der Umstieg auf „grünes Ammoniak“ wäre ein doppelter Gewinn: weniger CO₂, mehr Flexibilität.
Vom Labor zur Anwendung
Noch steckt das Verfahren in der Entwicklungsphase. Doch die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie und die Einbindung in die Arbeit des Net Zero Institute zeigen: Die Richtung stimmt. Cullen und sein Team sind überzeugt, dass ihr Ansatz die bislang zentrale, klimaschädliche Ammoniakproduktion dezentralisieren könnte – ein Quantensprung für Düngemittel, Energie und Versorgungssicherheit.
Manchmal, so scheint es, genügt ein künstlicher Blitz – und plötzlich wird aus Luft ein Hoffnungsträger für den Planeten.
Kurzinfo: Grünes Ammoniak aus Luft
- Neues Verfahren der University of Sydney nutzt Plasma, um Luftstickstoff zu aktivieren
- Gaskonversion erfolgt in einem Membran-Elektrolyseur, kompakt und skalierbar
- Vorteil gegenüber Haber-Bosch: kein Erdgas, keine Hochdruckreaktoren, keine CO₂-Emissionen
- Ammoniak dient als Düngemittel und als potenzieller Wasserstoffspeicher
- Wichtiger Kandidat für klimaneutrale Treibstoffe, etwa in der Schifffahrt
- Forschungsteam arbeitet an Effizienzsteigerung der Elektrolyse-Komponente
- Ziel: Dezentralisierung der Ammoniakproduktion – für nachhaltige Landwirtschaft und Energiewende
Originalpublikation:
„Regulating Multifunctional Oxygen Vacancies for Plasma-Driven Air-to-Ammonia Conversion“,
in: Angewandte Chemie International Edition, Juli 2025,
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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