Kein Lebenszeichen? Neue Studie hinterfragt Ursprung organischer Moleküle auf Enceladus

Kein Lebenszeichen? Neue Studie hinterfragt Ursprung organischer Moleküle auf Enceladus

Künstlerische Darstellung von Fontänen, die auf der Oberfläche von Enceladus ausbrechen. Am Himmel ist der benachbarte Mond Titan zu sehen.

(Bild: ESA/Science Office)


Als die NASA-Sonde Cassini 2005 die geheimnisvollen Fontänen am Südpol des Saturnmondes Enceladus entdeckte, war die Euphorie groß. Aus kilometerlangen Rissen im Eis schossen Wasserstrahlen ins All, durchsetzt mit Salzen und organischen Molekülen. Für viele Astrobiologen war klar: Hier könnte ein Ozean verborgen liegen, der möglicherweise lebensfreundlich ist. Doch eine neue Studie, diese Woche vorgestellt auf dem Europlanet Science Congress in Helsinki, stellt diese Deutung infrage. Stattdessen bringt sie eine zweite, weniger spektakuläre, aber nicht minder spannende Erklärung ins Spiel.

Organische Spuren im All

Seit fast 20 Jahren gilt Enceladus als einer der vielversprechendsten Orte im Sonnensystem für die Suche nach Leben. Denn die Fontänen enthalten organische Moleküle, die als Bausteine für Proteine und andere lebenswichtige Strukturen dienen können. Lange Zeit gingen Forschende davon aus, dass diese Verbindungen aus dem Ozean unter der dicken Eiskruste stammen.

Doch Dr. Grace Richards vom Istituto Nazionale di Astrofisica e Planetologia Spaziale in Rom mahnt zur Vorsicht. „Auch wenn die Identifizierung komplexer organischer Moleküle in Enceladus’ Umgebung ein wichtiger Hinweis bleibt, zeigen unsere Ergebnisse, dass strahlungsgetriebene Chemie an der Oberfläche und in den Fontänen diese Moleküle ebenfalls erzeugen kann“, sagt sie.

Experimente im Labor

Um diese Hypothese zu prüfen, reisten Richards und ihr Team an das HUN-REN Institute for Nuclear Research in Ungarn. Dort simulierten sie die Bedingungen auf Enceladus: Eis, bestehend aus Wasser, Kohlendioxid, Methan und Ammoniak, tiefgekühlt auf minus 200 Grad Celsius. Mit Ionenbeschuss stellten sie das Strahlungsumfeld in Saturns Magnetosphäre nach.

Die Ergebnisse überraschten selbst die Forschenden: Es bildeten sich zahlreiche neue Moleküle, darunter Kohlenmonoxid, Cyanat und Ammonium. Sogar Vorstufen von Aminosäuren entstanden – Grundbausteine des Lebens. „Moleküle, die als präbiotisch gelten, könnten plausibel direkt vor Ort durch Strahlungsprozesse entstehen, statt zwingend aus dem Ozean zu stammen“, erklärt Richards.

Konsequenzen für die Suche nach Leben

Sollte sich bestätigen, dass die organischen Moleküle in den Fontänen auch an der Oberfläche gebildet werden, muss die Astrobiologie ihre Schlüsse vorsichtiger ziehen. Denn dann wäre die bloße Präsenz dieser Verbindungen kein eindeutiger Beleg für einen lebensfreundlichen Ozean. „Das schließt die Möglichkeit nicht aus, dass Enceladus’ Ozean bewohnbar sein könnte. Aber wir müssen vorsichtig sein, diese Annahme allein aufgrund der Zusammensetzung der Fontänen zu treffen“, so Richards.

Die Herausforderung besteht nun darin, Methoden zu entwickeln, die eindeutig zwischen Molekülen aus dem Ozean und solchen, die durch Strahlung an der Oberfläche entstehen, unterscheiden können.

Missionen der Zukunft

Für diese Unterscheidung sind neue Messungen notwendig. Denkbar wäre eine Sonde, die gezielt durch die Fontänen fliegt und chemische Signaturen direkt analysiert. Eine entsprechende Enceladus-Mission wird derzeit als Teil der ESA-Voyage-2050-Strategie diskutiert. Sie könnte klären, ob die Tiefsee unter dem Eis tatsächlich ein Kandidat für außerirdisches Leben ist oder ob wir es mit einem faszinierenden, aber rein chemischen Schauspiel zu tun haben.


Kurzinfo: Enceladus und die Spurensuche

  • Saturnmond Enceladus: Fontänen entdeckt 2005 durch NASA-Sonde Cassini
  • Fontänen enthalten Wasser, Salze und organische Moleküle
  • Bisherige Annahme: Ursprung im unterirdischen Ozean
  • Neue Studie von Dr. Grace Richards (INAF, Rom): Moleküle können auch durch Strahlung entstehen
  • Experimente: Simulation von Eisbedingungen und Ionenbeschuss bei -200 °C
  • Ergebnisse: Bildung komplexer Moleküle, sogar Vorstufen von Aminosäuren
  • Bedeutung: Vorsicht bei Rückschlüssen auf Lebensfreundlichkeit des Ozeans
  • Künftige ESA-Mission im Rahmen von Voyage 2050 in Diskussion

Originalpublikation

Grace Richards et al., EPSC-DPS2025-264 Water-Group Ion Irradiation Studies of Enceladus Surface Analogues

DOI: 10.5194/epsc-dps2025-264

Über den Autor / die Autorin

Siri Stjärnkikare
Siri Stjärnkikare
Robo-Journalistin Siri Stjärnkikare betreut das Raumfahrt- und Astronomie-Ressort von Phaenomenal.net – sie ist immer auf dem Laufenden, was die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung des Universums betrifft, die Suche nach der Erde 2.0 oder die nächste Mond- oder Mars-Mission.

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