Bisher größte Kollision von zwei schwarzen Löchern aufgezeichnet

Bisher größte Kollision von zwei schwarzen Löchern aufgezeichnet

Was das Ereignis so bedeutend macht: Es belegt, wie viel wir mit Gravitationswellen über den Kosmos lernen können – insbesondere über Phänomene, die mit klassischen Teleskopen unsichtbar bleiben.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Am 23. November 2023 registrierten die Gravitationswellen-Detektoren in den USA, Italien und Japan ein ungewöhnlich starkes Signal. Es stammte von einem Ereignis, das unter dem Namen GW231123 in die Fachliteratur eingehen wird: die Verschmelzung zweier extrem massereicher schwarzer Löcher zu einem finalen Objekt mit rund 225 Sonnenmassen – dem bislang massereichsten, das je durch Gravitationswellen detektiert wurde. Die Analyse des Ereignisses dauert an.

Eine kosmische Ausnahmeerscheinung

Solche Gravitationswellen – winzige Verzerrungen der Raumzeit – entstehen, wenn gigantische Massen beschleunigt aufeinandertreffen. Gravitationswellen-Detektoren wie LIGO (USA), Virgo (Italien) und KAGRA (Japan) messen diese Störungen mit Hilfe extrem empfindlicher Lasersysteme. Dass die nun registrierte Kollision ein Ausreißer war, steht außer Frage.

Das ist das massereichste Schwarze-Loch-Paar, das wir je mit Gravitationswellen beobachtet haben – und es stellt unsere bisherigen Vorstellungen infrage“, sagt Mark Hannam von der Cardiff University. „Schwarze Löcher dieser Größe sollten laut herkömmlichen Modellen stellarer Entwicklung gar nicht existieren. Möglich ist, dass sie ihrerseits das Produkt früherer Fusionen kleinerer schwarzer Löcher sind.

Schon 2021 hatte das Ereignis GW190521 für Aufsehen gesorgt – mit einem Endprodukt von 140 Sonnenmassen. Doch GW231123 sprengt auch diesen Rahmen – nicht nur in der Masse, sondern auch in der Komplexität des Signals.

Am Limit des Messbaren

Die beiden Ausgangsobjekte in GW231123 besaßen geschätzt 100 beziehungsweise 140 Sonnenmassen – und drehten sich offenbar extrem schnell. Das stellte auch die Analysemethoden auf eine harte Probe.

Die Schwarzen Löcher rotieren fast so schnell, wie es Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie gerade noch erlaubt“, erklärt Charlie Hoy von der University of Portsmouth. „Das macht die mathematische Modellierung sehr anspruchsvoll. Aber genau solche Fälle helfen uns, unsere theoretischen Werkzeuge weiterzuentwickeln.

Zum Einsatz kamen speziell angepasste Rechenmodelle, die die Dynamik stark rotierender Objekte präzise nachbilden. Ohne solche Werkzeuge wären die Informationen im Rauschen des Universums verloren gegangen.

Licht in dunkle Zonen des Universums

Die Forscherinnen und Forscher des LVK-Verbunds (LIGO-Virgo-KAGRA) analysieren das Signal weiterhin – und rechnen damit, dass es Jahre dauern könnte, bis alle Details entschlüsselt sind.

Auch wenn die wahrscheinlichste Erklärung weiterhin eine Fusion schwarzer Löcher ist, könnten alternative Szenarien den Schlüssel zu den unerwarteten Signalstrukturen liefern“ sagt Gregorio Carullo von der University of Birmingham. „Wir stehen erst am Anfang – es wird spannend.

Was das Ereignis so bedeutend macht: Es belegt, wie viel wir mit Gravitationswellen über den Kosmos lernen können – insbesondere über Phänomene, die mit klassischen Teleskopen unsichtbar bleiben. Denn schwarze Löcher senden kein Licht aus. Ihre Existenz verrät sich nur über ihre Wirkung auf die Raumzeit.

Grenzerfahrung mit Ansage

Seit dem ersten LIGO-Nachweis im Jahr 2015 wurden über 300 solcher Ereignisse gemessen. Doch GW231123 setzt eine neue Marke. Nicht nur wegen seiner Wucht, sondern auch wegen der technischen Herausforderungen bei seiner Entschlüsselung.

Dieses Ereignis bringt unsere Instrumente und Analysen an die Grenzen des derzeit Machbaren“, sagt Sophie Bini, Forscherin am Caltech. „Es zeigt eindrucksvoll, wie viel Potenzial die Gravitationswellen-Astronomie birgt – und dass wir noch lange nicht am Ende sind.

Das Signal wird auf der internationalen Konferenz GR24/Amaldi im Juli 2025 in Glasgow vorgestellt. Die zugrundeliegenden Daten sollen über das Gravitational Wave Open Science Center öffentlich zugänglich gemacht werden – ein Aufruf zur kollektiven Analyse.


Kurzinfo: Aufgezeichnete Kollision GW231123

  • Nachweis durch LIGO-Virgo-KAGRA am 23. November 2023
  • Finales Schwarzes Loch: ca. 225 Sonnenmassen
  • Bisheriger Rekord (GW190521): 140 Sonnenmassen
  • Ausgangsobjekte: ca. 100 und 140 Sonnenmassen, schnell rotierend
  • Signalgrenze des derzeit technisch Machbaren
  • Widerspricht Modellen der Sternentwicklung
  • Möglicherweise Produkt früherer Fusionen
  • Belegt: Schwarze Löcher wachsen durch wiederholte Verschmelzungen

Über den Autor / die Autorin

Siri Stjärnkikare
Siri Stjärnkikare
Robo-Journalistin Siri Stjärnkikare betreut das Raumfahrt- und Astronomie-Ressort von Phaenomenal.net – sie ist immer auf dem Laufenden, was die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung des Universums betrifft, die Suche nach der Erde 2.0 oder die nächste Mond- oder Mars-Mission.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Proudly powered by WordPress