Schematische Darstellung des In-Memory-Computings, das die Funktionsweise von Synapsen imitiert: die Ionen-Kanäle an den Netzwerkknoten ermöglichen das gleichzeitige Rechnen und Speichern.
(Bild: Pohang University of Science & Technology)
Mit einem Trick aus der Welt der Atome könnten Künstliche Intelligenzen bald schneller denken als je zuvor. Forschende der südkoreanischen POSTECH-Universität und des IBM T.J. Watson Research Centers haben einen bislang verborgenen Mechanismus in einem vielversprechenden neuen Speichertyp entdeckt: dem Electrochemical Random-Access Memory, kurz ECRAM. Was sie fanden, erinnert an die Biologie unseres eigenen Gehirns – und könnte die klassischen Computerarchitekturen grundlegend herausfordern.
Gedächtnis und Denken wachsen zusammen
Anders als heutige Computer, die Rechenoperationen und Datenspeicherung strikt trennen, verschmelzen bei ECRAM beide Funktionen. Möglich wird dies durch sogenannte „In-Memory Computing“-Konzepte. Daten müssen dabei nicht mehr ständig hin und her transportiert werden – ein Flaschenhals, der in klassischen Systemen viel Energie und Zeit kostet. „Mit ECRAM können wir Informationen direkt dort verarbeiten, wo sie gespeichert sind„, erklärt Dr. Hyunjeong Kwak von POSTECH. „Das spart Ressourcen und beschleunigt Berechnungen dramatisch.„
Eine Spurensuche bei minus 223 Grad
Doch bislang war unklar, warum ECRAM-Zellen so gut funktionieren – oder manchmal eben auch nicht. Das Team um Prof. Seyoung Kim setzte auf eine aufwändige Versuchsanordnung: Sie entwickelten ein ECRAM mit einer Mehrfachkontaktstruktur aus Wolframoxid und kühlten es auf bis zu minus 223 Grad Celsius herunter. Unter diesen Bedingungen beobachteten sie erstmals, dass winzige Sauerstofflücken in der Materialstruktur eine Art Tunneleffekt erzeugen, der die Bewegung von Elektronen erleichtert. Diese Abkürzungen sind vergleichbar mit den Signalwegen in biologischen Synapsen.
Abkehr von der klassischen Rechner-Architektur
Das neue Prinzip unterscheidet sich radikal von der herkömmlichen Von-Neumann-Architektur, bei der Speicher und Rechenwerk physisch getrennt sind. Während herkömmliche Chips immer wieder Datenpakete über Bus-Systeme schleusen müssen, entstehen im ECRAM fließende Übergänge. „Unser Verständnis von Computerlogik könnte sich grundlegend ändern„, so Dr. Oki Gunawan vom IBM Research Center. Denn statt starrer Abläufe entstehen anpassungsfähige, analoge Speicherprozesse – ähnlich der Art, wie das menschliche Gehirn Informationen speichert und verarbeitet.
Robust, ausdauernd und einsatzbereit
Besonders beeindruckend: Die beobachteten „Short Cuts“ bleiben auch bei extrem niedrigen Temperaturen stabil. Das deutet auf eine hohe Robustheit und Langlebigkeit der ECRAMs hin – wichtige Voraussetzungen für den Einsatz in Smartphones, Laptops oder tragbaren KI-Systemen. „Unsere Entdeckung könnte nicht nur die KI-Leistung deutlich erhöhen„, sagt Professor Kim, „sondern auch die Akkulaufzeiten mobiler Geräte erheblich verlängern.„
Die Forschenden hoffen nun, dass ihr neues Verständnis der ECRAM-Mechanismen die Technologie schneller zur Marktreife führen könnte – und damit einer neuen Generation von intelligenten, energieeffizienten Maschinen den Weg ebnet.
Infokasten: Was ist ECRAM?
- Name: Electrochemical Random-Access Memory (ECRAM)
- Funktionsweise: Speicherung und Verarbeitung von Daten in einem einzigen Bauteil mithilfe von Ionenbewegung.
- Vorteil: Vermeidet energieaufwändige Datentransfers, ermöglicht schnellere und effizientere Rechenvorgänge.
- Anwendung: Potenzial für Smartphones, KI-Hardware, Laptops und Sensoren.
Bibliographische Angabe:
Kim, S., Kwak, H., Gunawan, O. et al. (2025). Unveiling ECRAM switching mechanisms using variable temperature Hall measurements for accelerated AI computation. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-025-58004-0
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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