WLAN als Spion: Funkwellen-Bilder ermöglichen Identifizierung von Passanten

WLAN als Spion: Funkwellen-Bilder ermöglichen Identifizierung von Passanten

Das WLAN als potenzieller „Spion“ wirft neue Fragen auf: Wem gehören die Daten, die unser Körper im Raum hinterlässt? Kann Privatsphäre noch geschützt werden, wenn Funkwellen zu Kamera-Augen werden?

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Wer heute durch ein Straßencafé mit kostenlosem WLAN spaziert, denkt vielleicht an Cappuccino und Cloud, nicht an Überwachung. Doch genau dort, zwischen Router und Notebook, könnte sich ein unsichtbarer Beobachter verbergen: das WLAN selbst. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben gezeigt, dass Funknetzwerke Menschen erkennen können – ganz ohne Kamera, ohne Bluetooth, ohne Smartphone.

Unsichtbare Bilder aus Radiowellen

Wir beobachten die Ausbreitung der Radiowellen und können so ein Bild der Umgebung und von Personen erzeugen“, erklärt Thorsten Strufe vom KASTEL – Institut für Informationssicherheit und Verlässlichkeit am KIT. Das funktioniert ähnlich wie bei einer normalen Kamera, nur dass diese Lichtwellen statt Radiowellen in ein Bild umwandelt. Entscheidend ist: Für die Identifikation braucht niemand ein eigenes Gerät bei sich zu tragen. Selbst ausgeschaltete Handys helfen nicht – „Es genügt, wenn andere Geräte in der Umgebung aktiv sind“, so Strufe.

Die Methode nutzt handelsübliche WLAN-Geräte und verwandelt sie in eine Art Funkkamera. Sobald sich Menschen im Raum bewegen, verändern sie die Signalwege zwischen den Geräten. Ein KI-Modell lernt, diese Veränderungen zu interpretieren – ähnlich, wie ein Gesichtserkennungssystem Pixelmuster deutet. Aus Radiowellen wird so ein unsichtbares Porträt.

Router als stille Beobachter

Die Technik macht aus jedem Router ein potenzielles Überwachungsgerät“, warnt Julian Todt, Informatiker am KASTEL. Wer regelmäßig an einem Café mit WLAN vorbeigeht, könnte dort unbemerkt identifiziert und später wiedererkannt werden – etwa von staatlichen Stellen oder Unternehmen. Denn WLAN ist allgegenwärtig: in Wohnungen, Büros, Bahnhöfen und Einkaufszentren.

Noch sind keine Fälle bekannt, in denen die Methode gezielt zur Überwachung eingesetzt wurde. Doch die Forschenden betonen: Die technische Hürde ist erschreckend niedrig. Es braucht keine Spezialhardware – ein normaler Router genügt.

Machine Learning als Schlüssel

Das System nutzt eine Information, die jedes verbundene Gerät ohnehin sendet: sogenannte Beamforming Feedback Information (BFI). Diese Rückmeldesignale sind unverschlüsselt und enthalten feine Unterschiede, die Rückschlüsse auf Bewegungen zulassen. Werden sie mit Machine Learning ausgewertet, entsteht ein dreidimensionales Profil der anwesenden Personen.

Das KIT-Team testete die Methode mit 197 Teilnehmenden. Ergebnis: Nahezu hundertprozentige Trefferquote – unabhängig von der Perspektive oder der Gangart. „Die Technik ist leistungsfähig, aber birgt gleichzeitig Gefahren für die Grundrechte, insbesondere der Privatheit“, betont Strufe. Besonders brisant wäre das in autoritären Staaten, wo die Technologie zur Verfolgung von Demonstrierenden eingesetzt werden könnte.

Zwischen Forschung und Risiko

Die Forschenden sehen ihr Projekt als Weckruf. Zwar war es in erster Linie ein Sicherheits-Experiment, doch die Ergebnisse zeigen: Die Grenze zwischen Komforttechnologie und Überwachung ist dünner, als vielen bewusst ist. Schon heute könnten kommerzielle Anbieter oder Geheimdienste versuchen, ähnliche Systeme zu nutzen – etwa zur Verhaltensanalyse oder Personenerkennung in Gebäuden.

Das Team fordert deshalb dringend Datenschutzmaßnahmen im geplanten WLAN-Standard IEEE 802.11bf. Dazu gehören verschlüsselte Rückmeldesignale und technische Schranken für die Auswertung von Funkmustern. Ziel sei es, die Forschung offen zu halten, ohne die Privatsphäre zu opfern.



Kurzinfo: WLAN als Spion – Risiken und Forschungsergebnisse

  • Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
  • Projektleitung: Prof. Thorsten Strufe, KASTEL-Institut
  • Erkennt Personen allein anhand von WLAN-Signalen
  • Keine Kamera, kein Smartphone nötig
  • Nutzt Beamforming Feedback Information (BFI)
  • Identifikation in Sekunden möglich, fast hundertprozentig genau
  • Funktioniert mit handelsüblichen Routern
  • Datenschutzrisiko durch unverschlüsselte Rückmeldesignale
  • Gefördert im Helmholtz-Programm „Engineering Secure Systems“
  • Präsentation: ACM Conference on Computer and Communications Security (Taipeh, 2025)

Originalpublikation:
Todt, Julian et al.,

BFId: Identity Inference Attacks utilizing Beamforming Feedback Information,

In: ACM, 2025.

DOI: 10.1145/3719027.3765062.

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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