3D-Zeit statt 3D-Raum?

3D-Zeit statt 3D-Raum?

Wenn die gewohnten drei Dimensionen nur die eine Hälfte der Medaille sind, eröffnet das einen neuen Raum der Möglichkeiten: viele parallele Gegenwarten neben der unserigen, und dazwischen eine Verbindungslinie. (Bild: Redaktion/PiPaPu)


In der Physik gilt seit Einstein die Raumzeit als Bühne des Universums – ein Gewebe aus drei Raum- und einer Zeitdimension. Doch was, wenn dieses Grundgerüst gar nicht das Fundament ist, sondern bloß Kulisse? Der US-Physiker Gunther Kletetschka schlägt in einer aktuellen Veröffentlichung einen radikalen Perspektivwechsel vor: Nicht die Raumzeit, sondern die Zeit in drei Dimensionen bildet das eigentliche Fundament der Wirklichkeit.

Zeit als Leinwand, Raum als Farbe

Statt Raum und Zeit gleichwertig zu behandeln, stellt Kletetschka in seiner im Fachjournal Reports in Advances of Physical Sciences erschienenen Arbeit die Zeit ins Zentrum – und zwar nicht als eindimensionale Linie, sondern als dreidimensionales Gefüge. „Diese drei Zeitdimensionen sind das eigentliche Gewebe von allem, wie die Leinwand eines Gemäldes“, sagt Kletetschka. Der Raum mit seinen drei Dimensionen sei demnach lediglich das, was auf diese Leinwand aufgetragen werde: „Er ist mehr wie die Farbe auf der Leinwand als die Leinwand selbst.

Diese Vorstellung widerspricht dem Standardmodell der Physik, das seit über einem Jahrhundert von der vierdimensionalen Raumzeit ausgeht. Doch Kletetschka ist überzeugt: Erst mit sechs Dimensionen – drei für die Zeit, drei für den Raum – lasse sich die physikalische Realität umfassend erklären.

Was ist dreidimensionale Zeit?

Dreidimensionale Zeit bedeutet, dass Zeit wie Raum in verschiedene Richtungen verlaufen kann – vergleichbar mit den Achsen X, Y und Z. In einem anschaulichen Bild könnte man sich vorstellen, auf einem geraden Weg voranzuschreiten – das entspricht der „normalen“ Zeit. Doch daneben verlaufen andere Pfade, auf denen alternative Tagesverläufe möglich wären. Ein Wechsel auf einen dieser Pfade könnte bedeuten: gleiches Jetzt, aber leicht anderer Ablauf – eine Art Quanten-Abzweigung, ohne Rückwärts- oder Vorwärtssprung.

Die zweite Zeitdimension beschreibt diese Alternativen, die dritte ermöglicht den Übergang zwischen ihnen. Anders als frühere Konzepte, die dabei Ursache und Wirkung in Frage stellten, bleibt bei Kletetschka der Zeitpfeil erhalten: Ursachen gehen Wirkungen weiterhin voraus – nur in komplexerer Geometrie.

Messbar, nicht nur mathematisch

Viele Theorien zur multidimensionalen Zeit blieben bisher rein spekulativ. Kletetschkas Ansatz geht darüber hinaus: Er liefert konkrete Vorhersagen und reproduziert bekannte Eigenschaften von Teilchen, etwa ihre Masse. „ Frühere 3D-Zeit-Modelle waren meist rein mathematische Konstrukte ohne experimentellen Bezug“, erklärt der Forscher. „Meine Arbeit macht aus einer interessanten Idee eine physikalisch überprüfbare Theorie mit mehreren unabhängigen Verifikationsebenen.

Tatsächlich gelingt es Kletetschkas Modell, die bekannten Massen von Elektronen, Myonen und Quarks mathematisch exakt abzubilden – und ihre Unterschiede zu erklären. Damit könnte der neue Ansatz helfen, eine der großen Fragen der Physik zu lösen: Woher kommt die Masse?

Der Stoff, aus dem die Einheit ist?

Noch weiter reicht das theoretische Versprechen: Drei Zeitdimensionen könnten den lange gesuchten Brückenschlag zwischen Quantenphysik und Gravitation liefern. Während das Standardmodell die elektromagnetische, die schwache und die starke Wechselwirkung vereint, bleibt die Gravitation bislang außen vor – Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie lässt sich nicht mit der Quantenmechanik versöhnen.

Eine Theorie der 3D-Zeit könnte hier den entscheidenden Impuls liefern, hofft Kletetschka: „ Der Weg zur Vereinheitlichung erfordert womöglich ein grundsätzlich neues Verständnis der physikalischen Realität“, sagt er. „ Diese Theorie zeigt, wie eine dreidimensionale Zeitstruktur viele ungelöste Probleme der Physik in einem konsistenten Rahmen lösen kann .

Noch fern, aber nicht jenseitig

Ob die 3D-Zeit jemals experimentell nachweisbar wird, bleibt offen. Doch einige Physiker wie Itzhak Bars von der University of Southern California vermuten, dass die zusätzlichen Zeitrichtungen bei extremen Energien – etwa im frühen Universum oder bei Teilchenkollisionen – aufblitzen könnten. Bis dahin bleibt die Theorie ein faszinierender Denkversuch: radikal, mutig – und vielleicht der erste Pinselstrich eines neuen Weltbildes.


Kurzinfo – 3D-Zeit

- Kernidee: Zeit besteht aus drei unabhängigen Dimensionen
- Raum ist abgeleitetes Phänomen – nicht grundlegend
- Mathematischer Rahmen kann Teilchenmassen vorhersagen
- Mögliches Bindeglied zwischen Quantenphysik und Gravitation
- Ziel: „Theory of Everything“, die alle Naturkräfte vereint
- Experimentelle Tests denkbar bei extremen Energien
- Verwandt mit Ansätzen von Itzhak Bars (USC) zur 2T-Physik- 


Originalpublikation:

Gunther Kletetschka,
„Three-Dimensional Time: A Mathematical Framework for Fundamental Physics“,
in: Reports in Advances of Physical Sciences (21-Apr-2025)

DOI: 10.1142/S2424942425500045

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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