Im Original heißt der Buchtitel ganz einfach: „La Sed“, also „Der Durst“ –
scheint doch dieser Zustand für die Menschheit äußerst existentiell zu sein.
(Bild: Cover/Suhrkamp Verlag)
Virginia Mendoza beginnt ihre Geschichte dort, wo ihre eigene verwurzelt ist: in La Mancha, einer kargen, sonnenverbrannten Region in Zentralspanien. Hier, wo der Staub sich zwischen die Wörter legt und der Regen Monate auf sich warten lässt, lernt Mendoza schon als Kind, was Wasser bedeutet – und was es bedeutet, wenn es fehlt. Der Mangel ist kein abstrakter Zustand, sondern Alltag, Erinnerung, Erfahrung. Aus diesem existenziellen Bezug wächst später ihre wissenschaftliche Neugier.
Eine anthropologische Spurensuche
Mendoza studiert Anthropologie, und das Wasser wird zum roten Faden ihres Denkens. In Die Suche nach Wasser untersucht sie die großen Stationen der Menschheitsgeschichte – Ackerbau, Urbanisierung, Migration, Religion – unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt: der existenziellen Notwendigkeit, Wasser zu finden, zu speichern, zu verwalten. Sie zeigt, dass Durst nicht nur Leiden bedeutet, sondern auch Aufbruch, Erfindung, Zivilisation.
Wissenschaft trifft Erzählkunst
Was dieses Buch besonders macht, ist nicht nur die These, sondern ihre Umsetzung. Mendoza schreibt nicht trocken-analytisch, sondern erzählerisch, bildhaft, fast poetisch. Sie verwebt wissenschaftliche Erkenntnisse mit ethnografischen Beobachtungen, historischem Wissen und persönlichen Erinnerungen. Dabei gelingt ihr eine seltene Balance: das Buch liest sich leicht und bleibt doch inhaltlich dicht.
Wasser als Spiegel der Zivilisation
Immer wieder macht Mendoza deutlich, wie eng der Umgang mit Wasser mit Macht, Kultur und Identität verknüpft ist. Wer Wasser kontrolliert, kontrolliert Leben. Wer keinen Zugang hat, wird zur Bewegung gezwungen – sei es in vormenschlichen Wanderungen oder heutigen Flüchtlingsströmen. Wasser ist, so Mendoza, kein Nebenschauplatz der Geschichte, sondern ihr eigentlicher Motor.
Ein Buch zur rechten Zeit
Die Suche nach Wasser erscheint in einer Welt, in der Wasserknappheit längst kein Zukunftsszenario mehr ist. Dürren, verschwindende Gletscher, Konflikte um Trinkwasser – all das zeigt: Die Geschichte, die Mendoza erzählt, ist längst nicht abgeschlossen. Ihr Buch erinnert uns daran, dass Fortschritt nicht nur aus Ideen wächst, sondern oft aus Mangel – und dass wir die Naturkräfte, die uns formen, allzu oft vergessen, bis sie uns wieder einholen.
![]() | Virginia Mendoza Die Suche nach Wasser – Eine Menschheitsgeschichte Aus dem Spanischen von Maria Meinel Verlag C.H. Beck Ersch. März 2025 304 S., 26,00 Euro |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin Hülya Bilgisayar betreut das Buchtipp-Ressort von Phaenomenal.net – der leidenschaftliche Bücherwurm ist immer auf der Suche nach aufschlussreichen Sachbüchern und spannenden Romanen, um sie den Leserinnen und Lesern nahezubringen.
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