Kinder bedeuten Zukunft – das klingt banal, wird aber in der Politik oft vernachlässigt: die Lebensqualität für Familien entscheidet mit, ob eine Stadt schrumpft oder wächst.
Leere Spielplätze, geschlossene Läden, zerfallende Straßen – in vielen kleinen und mittleren Städten Japans hat der Rückzug längst begonnen. 82 Prozent dieser Städte schrumpfen, und zwar nicht langsam, sondern tiefgreifend. Was also tun, wenn das Wachstum ausbleibt und die Menschen wegziehen? Eine neue Studie der Universität Osaka zeigt: Schrumpfen ist kein unaufhaltsamer Prozess – aber es braucht eine veränderte Prioritätensetzung in der Stadtpolitik, um etwas daran zu ändern.
Alte Konzepte helfen nicht weiter
Während Metropolen weiter expandieren, kämpfen kleinere Städte ums Überleben. Doch was ihnen hilft, ist nicht dasselbe, was in Großstädten funktioniert. „Die Herausforderungen schrumpfender Städte werden von Entscheidungsträgern oft übersehen“, sagt Dr. Haruka Kato, Stadtforscherin an der Osaka Metropolitan University und Autorin der neuen Studie. „Unsere Forschung legt nahe, dass Ausgabenpolitik gezielt auf die soziale Struktur abgestimmt werden muss – und dass Kinder im Zentrum stehen sollten.“
Kato hat zusammen mit ihrem Team alle kleinen und mittleren Städte Japans mit weniger als 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern untersucht – über einen Zeitraum von 15 Jahren. Mithilfe eines KI-gestützten Verfahrens analysierte sie die Beziehung zwischen kommunalen Ausgaben und Bevölkerungsentwicklung. Das Ergebnis ist ein datengetriebener Leitfaden für den Umgang mit dem Schrumpfen.
Kinder bringen Zukunft
Die wichtigste Erkenntnis: Dort, wo Kommunen pro Kopf mehr Geld für Kinder ausgegeben haben – zum Beispiel für Bildung, Betreuung oder Freizeitangebote –, wuchs die Bevölkerung. Hingegen schrumpften Städte stärker, die ihre Mittel vor allem für ältere Menschen oder Empfänger von Sozialhilfe aufwendeten. Auch Investitionen in Straßenbau trugen zum Erhalt der Bevölkerung bei, während andere Infrastrukturmaßnahmen, etwa zur Stadtplanung im engeren Sinne, keine messbare Wirkung hatten.
„Mit begrenzten finanziellen Ressourcen müssen kommunale Entscheider genau abwägen, wie viel sie in wen investieren“, so Kato. Die Studie empfiehlt ausdrücklich, mehr Mittel in Kinderwohlfahrt umzuschichten – auch wenn das bedeutet, Ausgaben für ältere Bevölkerungsgruppen zu kürzen. Eine unbequeme, aber empirisch gestützte Schlussfolgerung.
Schrumpfen braucht Strategie
Auch institutionelle Faktoren spielen eine Rolle: Städte mit effizienter Verwaltung und schlanker politischer Struktur schnitten besser ab. Wer in allgemeine Verwaltung oder in die Pflege kommunaler Register investierte, konnte Einwohner besser halten. Überraschend dagegen: Wirtschaftsförderung allein reichte nicht aus. Investitionen in Handel und Industrie zeigten keine Korrelation zur Bevölkerungsentwicklung.
Katos Fazit: „Was wir brauchen, ist eine auf den Ort zugeschnittene Planungskultur – weg vom Wachstum um jeden Preis, hin zu realistischen, nachhaltigen Strukturen.“
Der Schrumpfung begegnen – mit Mut und Maß
Was für Japan gilt, könnte auch für viele europäische und ostasiatische Regionen relevant sein, die mit demografischem Wandel ringen. Schrumpfende Städte brauchen kein Mitleid, sondern kluge Investitionen – vor allem in die Zukunft der Jüngsten. Denn wo Kinder sind, ist Hoffnung. Und wo Hoffnung ist, wächst auch wieder Leben.
Kurzinfo: Schrumpfende Städte, neue Prioritäten
Hintergrund:
Studie zur Wirkung kommunaler Ausgaben auf die Bevölkerungsentwicklung in kleinen und mittleren Städten Japans
Zentrale Ergebnisse:
- 1288 Städte schrumpfen (82,56 Prozent)
- Wachstum vor allem in Städten mit höheren Pro-Kopf-Ausgaben für Kinder
- Rückgang in Städten mit hohen Ausgaben für ältere Menschen und Sozialhilfe
- Investitionen in Straßenbau und Verwaltung wirken stabilisierend
- Wirtschaftsförderung allein nicht ausreichend
Empfehlung:
Kindgerechte Stadtpolitik priorisieren, Ausgaben umschichten, städtische Lebensqualität lokal denken
Originalpublikation:
Haruka Kato: Effective per capita municipal expenditures correlated with population changes in small and medium-sized cities in Japan,
in: Journal of Urban Management, 2025
https://doi.org/10.1016/j.jum.2025.02.006
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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