DNA als Gedächtnis der Zukunft

DNA als Gedächtnis der Zukunft

DNA ist so effizient als Datenspeicher, dass zur Kodierung sämtlicher verfügbarer Informationen auf der Welt ein paar Gramm ausreichen würden.

(Bild: Redaktion/PiPaPú)


Daten sind das neue Öl – aber wohin mit all den Tropfen? Während die Welt immer größere Datenmengen produziert, stößt die Technik an physische und energetische Grenzen. Was, wenn der Schlüssel zur Lösung in unserem eigenen Körper liegt? Genauer gesagt: in der DNA. In Leipzig, Dresden und Itzehoe arbeiten drei Fraunhofer-Institute im Projekt BIOSYNTH daran, synthetische DNA als ultrakompakten Massenspeicher nutzbar zu machen.

Von Nullen und Einsen zu A, C, G und T

Die Idee klingt wie aus einem Sci-Fi-Drehbuch: Digitale Informationen werden in Sequenzen aus Nukleinbasen übersetzt – also jenen Buchstaben, aus denen unsere Erbinformation besteht. Statt Einsen und Nullen liest man künftig G, T, C und A. Die DNA wird jedoch nicht aus Zellen extrahiert, sondern im Labor künstlich hergestellt. „Das Erbmolekül DNA kann auf sehr kleinem Raum sehr viele Informationen über lange Zeiträume speichern“, erklärt Projektkoordinator Dr. Uwe Vogel vom Fraunhofer IPMS. Genau das macht sie zum Hoffnungsträger der Datenspeicherung von morgen.

Mikrochips mit Mini-Bioreaktoren

Damit aus Theorie Praxis wird, entwickeln die Forschenden eine hochintegrierte Mikrochip-Plattform. Auf winzigen Siliziumchips befinden sich mikroskopisch kleine Reaktionszellen, jede mit Heizelement, OLED-Lichtquelle und Photodetektor. So entstehen kontrollierte Mini-Bioreaktoren, in denen synthetische DNA erzeugt wird. „Algorithmen entscheiden, welche Reaktionszellen aktiviert werden müssen, um eine bestimmte Sequenz zu erzeugen“, sagt Vogel. Ein optisches Monitoring erkennt, ob die Reaktion erfolgreich war – eine Art molekularer Druckfehlerprüfung.

Fehlerfreundlich und extrem platzsparend

Im Gegensatz zu klassischen Speichermedien ist DNA bemerkenswert fehlertolerant. Dank speziell entwickelter Codes können selbst kleine Synthesefehler ausgeglichen werden, ohne dass die gespeicherten Daten verloren gehen. Zugleich bietet DNA eine bislang unerreichte Speicherdichte: Theoretisch passen alle heute weltweit gespeicherten Daten in ein paar Gramm. BIOSYNTH zielt jedoch nicht auf kurzfristige Anwendungen – sondern auf die sichere, energiesparende Archivierung großer Datenmengen, etwa für Museen, Bibliotheken oder das Bundesarchiv.

Anwendungen in Biomedizin und Umweltanalyse

Was BIOSYNTH besonders macht: Die Plattform kann nicht nur DNA speichern, sondern auch RNA oder Peptide synthetisieren – also Stoffe, die etwa für Medikamentenentwicklung, Schadstoffanalysen oder personalisierte Medizin gebraucht werden. „Wir wollen nicht nur speichern, sondern auch verstehen, was biologische Systeme leisten können – und sie gezielt steuern“, betont Vogel.

Vom Labor auf die Weltbühne

Damit die Vision Wirklichkeit wird, braucht es Partner aus Industrie und Wissenschaft. Unternehmen wie Infineon, X-FAB oder das Bundesarchiv begleiten BIOSYNTH seit Projektbeginn. Erste Prototypen werden Anfang Mai auf der Konferenz SynBioBeta in Kalifornien vorgestellt – mit dem Ziel, das biologische Gedächtnis der Menschheit nicht nur lesbar, sondern nutzbar zu machen.


BIOSYNTH – DNA als Datenspeicher der Zukunft

  • Beteiligte Partner: Drei Fraunhofer-Institute (IPMS Dresden, IZI Leipzig, ISIT Itzehoe)
  • Ziel: Entwicklung einer Mikrochip-Plattform für biologische Massendatenspeicherung
  • Speichermedium: Synthetisch hergestellte DNA (nicht aus biologischen Zellen entnommen)
  • Grundprinzip:
    • Binärdaten (0 und 1) werden in Nukleinbasen (A, T, C, G) übersetzt
    • Daten werden als DNA-Stränge synthetisiert und gespeichert
  • Technologie:
    • Mikrochip mit mikroskopisch kleinen Reaktionszellen (Mini-Bioreaktoren)
    • Integration von:
      • CMOS-Steuerelektronik
      • Mikroheizern
      • OLEDs (organische Leuchtdioden)
      • Photodetektoren
    • Optisches Monitoring erkennt erfolgreiche Synthesen
  • Vorteile:
    • Extrem hohe Speicherdichte
    • Fehlertoleranz durch algorithmisch gestützte Kontrolle
    • Geringer Energiebedarf
    • Langlebigkeit für Langzeitarchivierung
  • Anwendungen:
    • Archivierung großer Datenmengen (z. B. Museen, Bundesarchiv)
    • Biologische Analyse (z. B. Umwelttoxikologie, Wirkstoffentwicklung)
    • Personalisierte Medizin und Bio-Computing
  • Status:
    • Erste Technologiedemonstratoren im Mai 2025 auf der SynBioBeta Conference, San José (USA)

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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