Bürgerenergie als Chance

Bürgerenergie als Chance

Die Energiewende könnte durch das Bottom-Up-Prinzip einen neuen Schub bekommen – darauf setzt auch die EU mit ihrer neuen Solarstromstrategie.

(Bild: Volker Haese/SteuerBoard Energie 2025)


Es beginnt oft unspektakulär: mit einer Infoveranstaltung im Gemeindezentrum, ein paar engagierten Nachbarinnen, einem lokalen Energieberater. Doch was daraus entsteht, hat das Potenzial, die Energiewende entscheidend voranzubringen – und zwar dort, wo sie am greifbarsten ist: vor Ort. Bürgerenergie bedeutet, dass Menschen nicht nur Strom aus erneuerbaren Energien beziehen, sondern ihn selbst erzeugen, verwalten und gestalten. Etwa jedes fünfzehnte installierte Windrad in Deutschland wird bereits auf diese Weise betrieben. Ein Modell mit Zukunft – wenn die Politik mitzieht.

Gemeinschaft als soziales Kraftwerk

Wobei: Wenn Bürgerinnen Fakten schaffen, ist das natürlich auch schon hochpolitisch. Denn was in Windparks, Solaranlagen und Wärmenetzen passiert, bedeutet eindeutig mehr als Technik – hier wird aktive Teilhabe praktiziert. Rund 2.500 bis 3.000 Energiegemeinschaften gibt es in Deutschland. Sie planen, finanzieren und betreiben Anlagen eigenverantwortlich – häufig ehrenamtlich. „Bürgerenergiegemeinschaften sind Pioniere beim Ausbau der erneuerbaren Energie“, sagt Astrid Aretz vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). „Sie schaffen Akzeptanz und Wertschöpfung vor Ort und sorgen dafür, dass die Energiewende vorankommt.

Doch die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen hinken dem Engagement hinterher. Anders als große Energiekonzerne haben Bürgerprojekte weniger Kapital, schlechteren Zugang zu Krediten – und sind auf vereinfachte Regelungen angewiesen.

Die neue Regierung ist gefordert

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD bekennt sich die Bundesregierung dazu, Bürgerenergie zu stärken. Doch noch so viel Papier ersetzt keine praktischen politischen Maßnahmen. Lars Holstenkamp von der Leuphana Universität Lüneburg fordert deswegen: „Die Bundesregierung sollte Energiegemeinschaften fördern, politische Ziele verankern und ihren Fortschritt messbar machen.“ Was er meint, bedeutet konkret: Energy Sharing ermöglichen, Lieferantenpflichten vereinfachen, digitale Vernetzung ausbauen. Denn auch Bürgerenergie braucht verlässliche Leitplanken.

Europa macht Tempo – Deutschland muss folgen

Die EU setzt programmatisch auf Bürgerenergie als zentralen Hebel zur Klimaneutralität. Ihre Solarstrategie sieht vor, dass in jeder Kommune über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner eine Energiegemeinschaft entsteht. Das ist ambitioniert – und ohne nationale Unterstützung schwer umsetzbar. „Jetzt ist der richtige Moment“, sagt Aretz. Denn mit gezielten Förderprogrammen, Kompetenzzentren und einer klaren politischen Kommunikation könnte die Bürgerenergie ihren gesellschaftlichen Hebel voll entfalten.

Ein Gewinn für alle

Neben ökologischen Vorteilen birgt die Bürgerenergie auch soziale Chancen: Demokratische Teilhabe, regionale Unabhängigkeit, finanzielle Beteiligung – all das stärkt das Vertrauen in die Energiewende. „Bürgerenergie bindet Menschen in nachhaltige Wirtschaftsprozesse ein“, so Aretz. Es sei „eine Chance, die Politik erkennen und nutzen sollte.

Zukunft zum Mitmachen

Wie eine solche Zukunft aussehen könnte, zeigen die Forschenden in einem Modellbild: mit Bürgerbanken, lokalen Kompetenzzentren, gemeinsam genutzten Speichern. Es ist eine Vision, die auf Kooperation statt Konzernmacht setzt. Und auf eine Politik, die nicht nur zuschaut, sondern gestaltet. Denn wenn die Energiewende ein Gemeinschaftsprojekt sein soll, muss auch ihre Umsetzung demokratisch sein.


Bürgerenergie auf einen Blick

  • Was ist das?
    Gemeinschaftliche Erzeugung erneuerbarer Energien durch Bürger*innen
  • Wer macht mit?
    Genossenschaften, Vereine, Kommunen, private Initiativen
  • Was wird betrieben?
    Solar- und Windanlagen, Wärmenetze, Speicherlösungen
  • Wie viele Projekte gibt es?
    Rund 2.500–3.000 Energiegemeinschaften in Deutschland (Stand 2024)
  • Warum ist das wichtig?
    Stärkt Akzeptanz, regionale Wertschöpfung, Teilhabe und Klimaschutz
  • Was braucht es?
    Politische Ziele, gerechte Rahmenbedingungen, digitale Vernetzung

Weitere Informationen:
Impulspapier „Bürgerenergie fördern: Gemeinschaftlich die Energiewende beschleunigen“, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Leuphana Universität Lüneburg, Mai 2025.
Download: https://www.ioew.de/impulse-energiegemeinschaften

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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