Der neue Chip konzentriert sich auf das Wesentliche – ganz ähnlich wie unser Gehirn. Einsatzfelder könnten z.B. die Smartwatches der nächsten Generation sein.
Bild: Andreas Heddergott / TUM
Es ist ein kleiner Chip mit großen Ambitionen: Der „AI Pro“, entwickelt an der Technischen Universität München, könnte das Tor zu einer neuen Ära der dezentralen Künstlichen Intelligenz aufstoßen. Ohne Cloud-Anbindung und ohne ständigen Internetzugang führt er Rechenoperationen direkt auf dem Gerät aus – und spart dabei Energie und Nerven. Entwickelt wurde der „AI Pro“ von Prof. Hussam Amrouch an der Technischen Universität München (TUM). Der Clou: Der Chip funktioniert nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns und spart dabei massiv Energie.
Neuromorphe Architektur als Schlüssel
Der neue Chip setzt auf eine neuromorphe Architektur, die ähnlich wie das Gehirn Informationen verarbeitet. Statt Unmengen an Daten zu analysieren, erkennt der Chip Muster und Ähnlichkeiten. „Auch Menschen abstrahieren und lernen durch Ähnlichkeiten“, erklärt Amrouch. Genau das sei das Prinzip, auf dem der Chip beruht. Dabei geht es nicht darum, Millionen von Datensätzen zu sichten, sondern gezielt nach charakteristischen Mustern zu suchen – ähnlich wie ein Mensch, der einen Hund nicht erst aus Tausenden Bildern lernt, sondern anhand von Merkmalen wie Fell, Ohren und Gangart. Das reduziert den Rechenaufwand erheblich.
Energieeffizient und cybersicher
Ein wesentlicher Vorteil des Chips: Er benötigt keine Verbindung zur Cloud. „Dieser Mix aus moderner Prozessorarchitektur, Algorithmenspezialisierung sowie neuartiger Datenverarbeitung macht den KI-Chip zu etwas Besonderem“, sagt Amrouch. Während herkömmliche Chips Millionen von Datensätzen verarbeiten, reicht dem neuen Chip eine Handvoll Muster, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Das spart Energie – konkret bis zu zehnmal weniger als herkömmliche Systeme.
Ein weiterer Vorteil: Die Daten bleiben vor Ort. Gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten, wie sie etwa von Smartwatches erfasst werden, bedeutet das einen Zugewinn an Cybersicherheit. „Die Zukunft gehört den Menschen, die die Hardware besitzen“, meint Amrouch. Statt die Daten durch Netzwerke zu schicken, erfolgt die Analyse direkt auf dem Chip selbst. So werden potenzielle Angriffsflächen minimiert.
Erste Prototypen in Dresden gefertigt
Gefertigt wurde der Chip beim Halbleiterhersteller Global Foundries in Dresden. Der erste Prototyp misst nur einen Quadratmillimeter, trägt zehn Millionen Transistoren und kostet derzeit rund 30.000 Euro. Doch Amrouch betont: „Während NVIDIA eine Plattform gebaut hat, die auf Cloud-Daten angewiesen ist und verspricht, jedes Problem zu lösen, haben wir einen KI-Chip entwickelt, der kundenspezifische Lösungen ermöglicht. Hier schlummert ein enormer Markt.“
Anders als bei NVIDIA-Chips mit über 200 Milliarden Transistoren liegt der Fokus von „AI Pro“ nicht auf schierer Rechenleistung, sondern auf Effizienz und Maßschneiderei. So könnten etwa Drohnen mit diesem Chip ausgestattet werden, um ihre Flugrouten eigenständig zu optimieren, ohne auf externe Rechencenter angewiesen zu sein.
Mehr als nur ein Energiesparer
Neben der Energieeffizienz bietet der Chip auch Cybersicherheit. Da die Daten direkt vor Ort verarbeitet werden, müssen sie nicht über das Netz geschickt werden. Damit fällt ein potenzielles Sicherheitsrisiko weg. Einsatzbereiche sieht Amrouch vor allem in der Gesundheitsüberwachung – etwa in Smartwatches – und in der Navigation von Drohnen. Auch in der Umweltüberwachung könnten KI-Chips wie der „AI Pro“ eine Rolle spielen, indem sie Sensordaten direkt auswerten und in Echtzeit analysieren. „Das macht sie sehr effizient“, ist Amrouch überzeugt.
Kurzinfo „AI Pro“-Chip
- Entwickelt an der Technischen Universität München (TUM) von Prof. Hussam Amrouch.
- Neuromorphe Architektur nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns.
- Dezentraler Betrieb ohne Cloud-Anbindung.
- Erster Prototyp: 1 mm², 10 Millionen Transistoren, 30.000 Euro.
- Einsatzbereiche: Smartwatches, Drohnen, Gesundheitsmonitoring.
- Energiesparend: Nur 24 Mikrojoule pro Sample – zehnmal weniger als herkömmliche KI-Chips.
Originalpublikation:
- Sandy Wasif, Paul Genssler, and Hussam Amrouch. „Domain-Specific Hyperdimensional RISC-V Processor for Edge-AI Training.“ In: IEEE Transactions on Circuits and Systems I: Regular Papers (2025). https://ieeexplore.ieee.org/document/10931124
- Soliman, Taha, Swetaki Chatterjee, Nellie Laleni, Franz Müller, Tobias Kirchner, Norbert Wehn, Thomas Kämpfe, Yogesh Singh Chauhan, and Hussam Amrouch. „First demonstration of in-memory computing crossbar using multi-level Cell FeFET.“ In: Nature Communications 14, no. 1 (2023): 6348. https://www.nature.com/articles/s41467-023-42110-y
- Wei-Ji Chao, Paul R Genssler, Sandy A Wasif, Albi Mema, Hussam Amrouch, “End-to-end Hyperdimensional Computing with 24.65 µJ per Training Sample in 22 nm Technology”, under review at the European Solid-State Electronics Research Conference (ESSERC). Preprint available: https://go.tum.de/440497
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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