Wärmewende ohne Wut

Wärmewende ohne Wut

Nicht jeder Hausbesitzer kann und möchte sofort eine Wärmepumpe installieren – zudem sind die Kapazitäten des Handwerks vor Ort begrenzt. Die Politik sollte auf die komplexe Gemengelage Rücksicht nehmen, empfehlen die Forschenden.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Es war ein politisches Gewitter mit langer Nachwirkung. Als die Ampel-Koalition ein Verbot für neue Öl- und Gasheizungen ankündigte, brach ein Sturm der Empörung los. Der sogenannte „Heizungshammer“ geriet zum Symbol für staatliche Übergriffigkeit – und ließ die Umfragewerte der Grünen purzeln. Nun schlägt das politische Pendel zurück: Die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz will das Gebäudeenergiegesetz zurücknehmen, fossile Heizungen sollen wieder erlaubt bleiben. Doch kann das der richtige Weg sein, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will?

Zwischen Klimaziel und Lebensrealität

Tatsächlich scheint es kein einfaches Entweder-oder zu geben. Die jüngste Analyse in Nature Climate Change, verfasst unter anderem vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), geht der Frage nach, wie Regulierung gestaltet sein müsste, um effektiv und gesellschaftlich tragfähig zu sein. Denn die Konfrontation zwischen Marktgläubigen und Verbotsbefürwortern ist mehr als ein Streit um Technik – es ist ein Stellvertreterkonflikt um staatliche Eingriffe und individuelle Freiheit. „Auf den ersten Blick stoßen beim Thema Heizungsverbot zwei unvereinbare Ansichten aufeinander“, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des PIK. „Für die einen schützt der Staat die Menschen damit vor falschen Entscheidungen […]. Doch für die anderen beraubt er sie gerade der Möglichkeit […]. Der Witz ist: Beide Denkschulen haben unter bestimmten Bedingungen recht.

Vier Faktoren, die den Unterschied machen

Der Schlüssel zur Lösung liegt laut Studie in der Differenzierung. Vier Indikatoren sollen der Politik helfen, zwischen sinnvollen Verboten und schädlichen Eingriffen zu unterscheiden:

  1. Gebäudezustand: In unsanierten Altbauten ist der Umstieg technisch und finanziell besonders anspruchsvoll.
  2. Regionale Verfügbarkeit: Fachkräftemangel und Lieferengpässe erschweren eine flächendeckende Wärmewende.
  3. Informationslage: Wer gut beraten ist, entscheidet bewusster – Regulierung kann dort zurücktreten.
  4. Geteilte Anreize: Bei Mietobjekten lohnt sich eine Investition für Vermietende oft nicht – hier braucht es mehr Regeln.

Gezielte Eingriffe statt Pauschallösungen

Die Forschenden sprechen sich gegen generelle Heizungsverbote aus – aber auch gegen ein Zurück zur völligen Marktsteuerung. Gefordert ist ein Mittelweg: gezielte Eingriffe dort, wo sie nötig und sinnvoll sind. So ließe sich die soziale Akzeptanz steigern – und Proteste wie gegen das frühere Gebäudeenergiegesetz vermeiden.

Es geht um einen differenzierten Umgang mit unterschiedlichen Gruppen von privaten Haushalten – je nachdem, ob Heizungsverbote dort eher nützen oder schaden“, erklärt Michael Pahle vom PIK. „Gezielte Verbote können durchaus eine wichtige Rolle spielen und […] die CO₂-Bepreisung ergänzen.

Daten und Modelle für die Praxis

Zentrale Voraussetzung dafür ist Wissen – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der konkreten Umsetzung. Deshalb schlagen die Autorinnen und Autoren eine gezielte Erhebung neuer Daten vor: etwa bei Energieberatungen oder Förderanträgen. Wer weiß, wie Haushalte tatsächlich entscheiden, kann sie besser unterstützen.

Außerdem sollte ein Sofortprogramm mit regional begrenzten Modellversuchen als Quelle für den nötigen schnellen politischen Lernprozess aufgesetzt werden“, sagt Andreas Gerster von der Universität Mainz und dem RWI. Die Wärmewende sei überfällig, nun brauche es eine Tempo-Strategie mit gesellschaftlichem Rückhalt.

Ein Ausweg ohne Gesichtsverlust

Dass die Politik auf das neue Forschungswissen eingeht, ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes – sondern auch des politischen Stils. Statt Lagerkampf könnte ein neues Kapitel der pragmatischen Kooperation beginnen. Verbote, ja – aber nur da, wo sie wirklich helfen. So ließe sich die Wärmewende aus der ideologischen Sackgasse holen.


Kurzinfo Wärmewende

  • Hintergrund: Das frühere Gebäudeenergiegesetz der Ampel sah ab 2028 ein Verbot neuer fossiler Heizungen vor.
  • Wende: Die neue CDU-geführte Regierung will diese Regelung rückgängig machen.
  • Studie: In Nature Climate Change schlagen Forschende einen Mittelweg vor.
  • Vier Kriterien: Gebäudebeschaffenheit, Fachkräfteverfügbarkeit, Informationslage, Anreizstruktur.
  • Vorschlag: Modellversuche und Datenerhebungen sollen helfen, gezielte Eingriffe zu planen.
  • Ziel: Mehr Akzeptanz für die Wärmewende durch maßvolle Regulierung statt Pauschalverbot.

Originalpublikation:

Edenhofer, Pahle, Gerster u. a.,

„Targeted policies to break the deadlock on heating bans“, in:

Nature Climate Change, Mai 2025.

DOI: 10.1038/s41558-025-02343-9

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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