Emissionsfrei fliegen mit Natrium-Brennstoffzelle

Emissionsfrei fliegen mit Natrium-Brennstoffzelle

Verdreifacht sich die Energiedichte der Batteriespeicher, kann man nicht nur Trucks betreiben, sondern auch Flugzeuge auf Mittelstrecken antreiben.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Elektrisch angetriebene Flugzeuge, die Strecken von bis zu zweitausend Kilometern zurücklegen, ganz ohne CO₂-Ausstoß? Mit herkömmlichen Akkus funktioniert das nicht: zu wenig Energie bei zuviel Gewicht. Doch nun haben Forschende am MIT eine neue Brennstoffzellentechnologie vorgestellt, die auf flüssigem Natrium basiert und eine bislang unerreichte Energiedichte verspricht. Damit könnten sie einen entscheidenden Durchbruch für die elektrische Luftfahrt erzielt haben.

Eine neue Zellchemie mit alter Idee

Der Grundgedanke ist nicht neu: Metall-Luft-Batterien gelten seit Jahrzehnten als Hoffnungsträger für leistungsstarke Energiespeicher. Doch an der praktischen Umsetzbarkeit scheiterten viele Projekte – zu instabil, zu unzuverlässig. Nun geht das Team um Professor Yet-Ming Chiang einen anderen Weg: Statt eine Batterie zu bauen, entwickelten sie eine flüssig befüllbare Brennstoffzelle, die auf flüssigem Natrium und Umgebungsluft basiert. „Wir erwarten, dass viele Menschen diese Idee für völlig verrückt halten“, sagt Chiang, der am MIT als Kyocera-Professor für Keramik tätig ist. „Aber wenn niemand eine neue Idee zunächst für verrückt hält, ist sie wahrscheinlich nicht bahnbrechend genug.

Dreifache Energiedichte gegenüber Lithium-Ionen

In Laborversuchen erreichte die Zelle bis zu 1.700 Wattstunden pro Kilogramm – das ist mehr als das Dreifache der Energiedichte gängiger Lithium-Ionen-Batterien. Entscheidend für den Flugverkehr: Ab etwa 1.000 Wattstunden pro Kilogramm könnten elektrisch betriebene Regionalflüge Realität werden. Laut Chiang sei das die Schwelle, die elektrische Luftfahrt wirklich praktikabel mache. „Heute kommen Lithium-Ionen-Batterien auf maximal 300 Wattstunden pro Kilogramm – das reicht einfach nicht aus.“ Selbst mit 1.000 wären noch keine Langstreckenflüge möglich, doch immerhin 80 Prozent aller Inlandsflüge ließen sich so elektrifizieren – mit enormen Effekten auf die Emissionsbilanz.

Fliegen ohne CO₂ – und mit Umweltnutzen

Die neue Zelle bringt noch einen weiteren Vorteil: Sie produziert keine klimaschädlichen Gase, sondern bindet beim Betrieb sogar Kohlendioxid aus der Luft. Aus dem Reaktionsprodukt Natriumoxid entsteht bei Kontakt mit Luftfeuchtigkeit Natriumhydroxid, das wiederum CO₂ in feste Stoffe wie Natriumbicarbonat (Backpulver) umwandelt. „Es ist ein spontaner Kaskadeneffekt. Wir müssen nichts weiter tun – wir müssen nur fliegen“, sagt Chiang. Und das Abfallprodukt? Ungiftig – und sogar hilfreich, wenn es ins Meer gelangt: Es könnte helfen, die Versauerung der Ozeane abzumildern.

Sicherheit durch cleveres Design

Trotz hoher Energiedichte ist die Zelle sicherer als viele Batterien, betont Chiang. Anders als in einer klassischen Batterie liegen in der Natrium-Brennstoffzelle keine zwei reaktiven Substanzen dicht nebeneinander. Auf einer Seite befindet sich lediglich Luft. Das verringert die Gefahr von Kettenreaktionen bei Lecks.

Auch das Nachfüllen sei unkompliziert. Die Forschenden stellen sich austauschbare Kartuschen vor, die mit flüssigem Natrium gefüllt und nach Gebrauch wiederaufbereitet werden. Der Schmelzpunkt von Natrium liegt bei nur 98 Grad Celsius – also unter dem Siedepunkt von Wasser. Die Handhabung wäre technisch machbar, wie einst bei der Produktion von Bleizusätzen für Benzin.

Vom Labor in die Luft

Noch existiert die Zelle lediglich als Laborprototyp. Doch die Forschenden arbeiten bereits an der Skalierung: Zunächst soll ein ziegelgroßes Modul entstehen, das 1.000 Wattstunden liefert – genug für den Antrieb einer Drohne in der Landwirtschaft. Unterstützt wird das Team durch das ARPA-E-Programm, Breakthrough Energy Ventures und die National Science Foundation. „Der Schlüssel war, dass wir das Entladungsprodukt in flüssiger statt fester Form erhalten – das ließ sich viel leichter abtransportieren“ , erklärt MIT-Doktorandin Karen Sugano, die wesentliche Teile des Versuchsaufbaus entwickelt hat. Sie wird ihre Forschung künftig im neu gegründeten Spin-off Propel Aero weiterführen. „Wir haben Elemente aus verschiedenen Ingenieursdisziplinen kombiniert – von Brennstoffzellen bis zu Hochtemperaturbatterien – und so den entscheidenden Leistungssprung erzielt“ , ergänzt Mitautor Saahir Ganti-Agrawal.

Ob in der Luft, auf dem Wasser oder auf der Schiene: Diese neue Brennstoffzelle könnte der Energiewende im Verkehr neue Flügel verleihen.


Natrium-Brennstoffzelle – die wichtigsten Fakten

  • Technologie: Flüssige Natrium-Luft-Brennstoffzelle mit keramischem Elektrolyt
  • Energiedichte: Bis zu 1.700 Wh/kg auf Stack-Ebene, über 1.000 Wh/kg im System
  • Vorteile: Nachfüllbar, CO₂-neutral, sogar CO₂-bindend
  • Sicherheit: Geringes Risiko durch Luft als Reaktionspartner
  • Einsatzbereiche: Luftfahrt, Schifffahrt, Bahnsysteme, Landwirtschaft, Drohnen
  • Materialbasis: Natrium aus Salz – global verfügbar und günstig
  • Start-up: Propel Aero (MIT-Inkubator „The Engine“)
  • Förderung: ARPA-E, Breakthrough Energy Ventures, NSF

Originalpublikation:
Karen Sugano et al., Sodium-air fuel cell for high energy density and low-cost electric power, in: Joule, 2025
DOI: 10.1016/j.joule.2025.101962

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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