Wenig Wechselwillen: Viele Social Media-Nutzer betreiben bis auf weiteres einen Spagat zwischen den großen Plattformen wie X und alternativen Angeboten à la Bluesky oder Mastodon.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Eine US-Wahl kann vieles verändern – nicht nur politische Machtverhältnisse, sondern auch die digitale Landkarte der Meinungsbildung. Seit November 2024 hat sich ein kleiner, aber auffälliger Trend vollzogen: Immer mehr sogenannte News-Influencer, insbesondere mit linkem politischen Profil, ziehen auf die Plattform Bluesky. Doch so rasant der Aufstieg, so begrenzt die Ablösung. X – das Netzwerk, das früher Twitter hieß – bleibt trotz aller Kontroversen die dominierende Bühne im Nachrichtenstrom, zeigt eine aktuelle Studie des Pew Research Center.
Plattformwechsel mit politischer Schlagseite
Bluesky, ein dezentral aufgebautes Netzwerk mit Twitter-ähnlichen Funktionen, wurde im Februar 2024 für die breite Öffentlichkeit geöffnet. Kaum ein Jahr später zeigt sich: Die Zahl der News-Influencer mit einem Bluesky-Konto hat sich in nur vier Monaten fast verdoppelt – von 21 Prozent vor der Wahl auf 43 Prozent im März 2025.
Doch die neuen Nutzer sind nicht gleichmäßig verteilt. „69 Prozent der linksliberalen News-Influencer in unserer Stichprobe haben inzwischen ein Bluesky-Konto – bei den Konservativen sind es nur 15 Prozent“, so das Pew Research Center, das gemeinsam mit der Knight Foundation eine umfangreiche Analyse durchgeführt hat. Rechte Influencer bleiben X deutlich treuer – sowohl in der Präsenz als auch im Posting-Verhalten.
Wachstum ja – aber ohne Exklusivität
Bluesky mag Zulauf haben, aber es ist keine Fluchtplattform. Fast alle News-Influencer, die ein Bluesky-Konto eröffnet haben, bleiben gleichzeitig auf X aktiv. Nur sechs Prozent haben X tatsächlich verlassen. Rund 37 Prozent posten auf beiden Plattformen, 46 Prozent ausschließlich auf X.
Das erklärt sich auch aus der Definition: News-Influencer sind Einzelpersonen mit mindestens 100.000 Followern auf Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok, YouTube, X oder Bluesky, die regelmäßig über aktuelle Ereignisse berichten – sei es als Journalistinnen, Aktivisten oder unabhängige Meinungsmacher.
Bluesky ist bei dieser Zielgruppe angekommen, aber noch kein Ort exklusiver Meinungsbildung. Die meisten Beiträge, insbesondere solche mit großer Reichweite, erscheinen weiterhin auf X – oft mit Querverweis oder spätem Repost auf der alternativen Plattform.
Postingfrequenz bleibt auf X höher
Auffällig ist auch: Wer auf beiden Plattformen vertreten ist, zeigt auf X die deutlich höhere Aktivität. In den ersten drei Monaten des Jahres 2025 posteten 83 Prozent der News-Influencer auf X an mindestens vier Tagen pro Woche – bei Bluesky waren es nur 31 Prozent. Fast die Hälfte der dort registrierten Nutzerinnen und Nutzer veröffentlichte unregelmäßig oder gar nicht.
„X bleibt trotz aller politischen und unternehmerischen Umbrüche das Hauptmedium für viele Influencer – sowohl wegen der Reichweite als auch wegen der Netzwerkeffekte“, heißt es in der Studie. Selbst unter den neuen Bluesky-Nutzerinnen und Nutzern gab es eine deutlich steigende Aktivität: Von Januar bis März 2025 wuchs der Anteil der regelmäßig aktiven Accounts von 54 auf 66 Prozent.
Musk, Macht und Migration
Ein zentraler Grund für die wachsende Aufmerksamkeit für Bluesky dürfte die umstrittene Rolle von Elon Musk als Besitzer von X sein – insbesondere seit seiner engen Verbindung zur zweiten Trump-Administration. Für viele linke Stimmen ist die Plattform dadurch politisch belastet. Die dezentrale Alternative bietet in ihren Augen mehr Unabhängigkeit und algorithmische Transparenz.
Doch mit rund 30 Millionen Nutzern bleibt Bluesky ein Nischenangebot. Die kritische Masse, die nötig wäre, um X ernsthaft Konkurrenz zu machen, ist noch nicht erreicht. „Viele Influencer nutzen Bluesky strategisch – als Ausweichadresse, nicht als Hauptresidenz“, so die Studienautorinnen.
Zwei Plattformen, eine Bühne?
Die aktuelle Entwicklung deutet darauf hin, dass sich eine neue Plattformökologie ausbildet: News-Influencer bespielen mehrere Netzwerke parallel, je nach Zielgruppe, Tonalität und Thema. Während X weiterhin für schnelle Reichweite sorgt, steht Bluesky für Communitypflege, linke Diskurse und Experimente mit neuen Formaten.
Ob sich diese Aufgabenteilung langfristig hält oder ob eine der Plattformen das Rennen macht, bleibt offen. Klar ist: Der digitale Nachrichtenraum bleibt in Bewegung – auch wenn die alten Plätze noch nicht ganz verlassen sind.
Kurzinfo: News-Influencer, X und Bluesky
- Studie: Pew Research Center & Knight Foundation, Frühjahr 2025
- Stichprobe: 500 News-Influencer mit ≥ 100.000 Followern
- Plattformverteilung: 82 Prozent auf X, 43 Prozent auf Bluesky
- Nach der US-Wahl 2024: Verdopplung der Bluesky-Nutzeranteile
- Politische Tendenz: 69 Prozent der Linken auf Bluesky – nur 15 Prozent der Rechten
- Parallel-Nutzung: 37 Prozent auf beiden Plattformen aktiv
- Postingfrequenz: X-Nutzer posten deutlich häufiger als auf Bluesky
- Bluesky-Wachstum: +20 Millionen User seit Februar 2024
- Hauptmotivation: Algorithmuskritik, Misstrauen gegenüber X
- Reichweite: X bleibt Hauptmedium – Bluesky wird Nebenschauplatz
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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