Die Digital-Ära hat uns einen wachsenden Berg an Elektronik-Schrott beschert, dessen Material-Mix schwer zu trennen und zu recyclen ist. Eine neue Form von Elektronik aus dynamischen Polymeren könnte das jedoch ändern.
(Bild: Alex Parrish/Virginia Tech)
Unsere elektronischen Helfer altern schnell und landen bald auf dem Müll. Laut einem UN-Bericht von 2024 hat sich die Menge des weltweiten Elektroschrotts in den letzten zwölf Jahren fast verdoppelt – eine düstere Prognose, die ohne Lösungen nicht besser wird. Forscher der Virginia Tech bieten nun einen Hoffnungsschimmer: recycelbare, selbstheilende Elektronik.
Die Last des Elektroschrotts
Jährlich entstehen derzeit rund 62 Milliarden Kilogramm Elektroschrott weltweit, bis 2030 könnten es bereits 82 Milliarden sein. Dabei werden lediglich etwa 20 Prozent recycelt. Die übrigen Mengen landen auf Deponien, belastend für Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen. Wertvolle Metalle gehen verloren, Recyclingmethoden sind oft zu energieintensiv und ineffizient.
Michael Bartlett, Maschinenbauprofessor, und Josh Worch, Chemieprofessor an der Virginia Tech, wollten dieses Problem angehen. Zusammen mit ihrem Team entwickelten sie eine neue Materialklasse für Schaltkreise, die nachhaltig, robust und dennoch flexibel ist.
Innovation durch interdisziplinäre Forschung
Die Entwicklung verbindet sogenannte Vitrimere – dynamische Polymere, die durch Erhitzen repariert und neu geformt werden können – mit flüssigem Metall. Dieses Metall übernimmt dabei die elektrische Leitung wie feste Metalle in traditionellen Schaltkreisen. Die Verbindung schafft elektronische Komponenten, die sich anpassen und selbst nach Schäden vollständig reparieren lassen.
„Unser Material unterscheidet sich fundamental von herkömmlichen elektronischen Verbundwerkstoffen“, erklärt Bartlett. „Die Schaltkreise sind äußerst widerstandsfähig und funktional. Selbst unter mechanischer Belastung oder Beschädigung funktionieren sie weiterhin.“
Einfaches Recycling, nachhaltige Zukunft
Die herkömmliche Wiederverwertung von Leiterplatten ist kompliziert, teuer und ressourcenintensiv. Im Gegensatz dazu lassen sich die neu entwickelten Schaltkreise auf einfache Weise recyceln. Die Materialstruktur ermöglicht es, defekte Teile zu heilen oder durch Wärme umzuformen – und das ohne Leistungseinbußen.
„Traditionelle Schaltkreise bestehen aus permanenten Thermoset-Materialien, die kaum recyclebar sind“, ergänzt Worch. „Unser dynamisches Kompositmaterial lässt sich bei Schäden problemlos reparieren oder neu formen, und die elektrische Funktionalität bleibt erhalten. Das können moderne Leiterplatten nicht leisten.“
Umweltfreundliche Kreislaufwirtschaft
Am Ende ihrer Nutzungszeit können die Vitrimer-Schaltkreise mittels alkalischer Hydrolyse zerlegt werden. Wichtige Bestandteile, etwa Flüssigmetalle oder LEDs, lassen sich problemlos zurückgewinnen. Ziel der Forschenden ist es, sämtliche Komponenten in einem geschlossenen Kreislauf wiederzuverwenden.
Trotzdem bleibt viel zu tun. Die vollständige Wiedernutzung aller Materialien ist weiterhin Forschungsziel. Aber der Weg in eine nachhaltigere Zukunft scheint damit geebnet zu sein.
Potenziale für Umwelt und Wirtschaft
Diese Innovation könnte bedeutend dazu beitragen, die Menge an Elektroschrott zu reduzieren. Neben den Umweltvorteilen bietet das neue Material auch ökonomische Chancen. Unternehmen könnten Kosten für die Beschaffung neuer Materialien und den Entsorgungsprozess erheblich reduzieren. Zudem könnte sich eine neue Industrie etablieren, die sich speziell auf das Recycling und die Reparatur solcher flexiblen und nachhaltigen Elektronik spezialisiert.
Kurzinfo: Elektronik, die sich selbst heilt
- Elektroschrott steigt rapide (62 Mrd. kg aktuell, 82 Mrd. kg bis 2030)
- Nur 20 Prozent Recyclingquote weltweit
- Neue Lösung durch dynamische Polymere (Vitrimere) und Flüssigmetall
- Schaltkreise sind robust, elektrisch leitfähig und selbstheilend
- Einfache Wiederverwertung per Wärme oder alkalischer Hydrolyse
- Rückgewinnung wertvoller Materialien möglich
- Ziel: Vollständiger Materialkreislauf
- Forschung gefördert durch Virginia Tech und National Science Foundation
Originalpublikation:
Michael Bartlett et al., „Liquid Metal-Vitrimer Conductive Composite for Recyclable and Resilient Electronics“, in: Advanced Materials (1-Jun-2025)
DOI: 10.1002/adma.202501341
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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