Startschuss für das Quanteninternet

Startschuss für das Quanteninternet

Jedes Netzwerk beginnt mit dem ersten Knotenpunkt. Beim traditionellen Internet war das im Jahr 1969. Das Jahr 2025 dürfte ebenfalls in die Geschichtsbücher eingehen – dank des ersten Quanteninternet-Knotens in Aachen.

(Bild: Fraunhofer ILT)


Im Forschungszentrum des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen wird derzeit Geschichte geschrieben. Mit dem Start eines ersten deutschen Quanteninternetknotens beginnt ein neues Kapitel der technologischen Entwicklung – die Anlage gilt als Keimzelle für ein europaweites Netzwerk, das sichere Kommunikation mit Lichtteilchen möglich machen soll.

Netzwerke aus Licht und Quanten

Was am Fraunhofer ILT jetzt entsteht, basiert auf einer Technologie, die schon in den Niederlanden für Aufsehen sorgte. Dort gelang es Forschenden am QuTech-Zentrum, über 25 Kilometer Glasfaser eine Quantenverschränkung zwischen Delft und Den Haag herzustellen. Grundlage war ein stationäres Qubit, das über Photonen mit seinem Pendant verbunden wurde – ein physikalischer Trick, der Datenübertragung abhörsicher machen könnte.

„Ein durch Quantenverschränkung gesichertes Internet würde sichere Remote-Zugriffe auf Quantencomputer ermöglichen – künftig auch über Photonic Clients“, erklärt Dr. Bernd Jungbluth, der am Fraunhofer ILT die strategische Initiative für Quantentechnologie leitet. „So wird begrenzt verfügbare Hardware vielen Nutzenden zugänglich.“

Der in Aachen installierte Knoten ist nahezu baugleich mit dem System von QuTech. Entwickelt wurde er gemeinsam mit dem niederländischen Partner TNO und bereits erfolgreich getestet. Jetzt soll er in eine lokale Glasfaserinfrastruktur eingebunden und schrittweise weiterentwickelt werden.

Herzstück aus Diamant

Im Zentrum des Systems steht ein Qubit auf Basis eines sogenannten NV-Zentrums: einer gezielt erzeugten Fehlstelle im Diamantgitter, an der sich ein zusätzliches Elektron mit Laserlicht präzise manipulieren lässt. Diese Energiezustände lassen sich nutzen, um einzelne Photonen zu erzeugen – die wiederum mit dem Elektronenspin verschränkt sind.

Doch: Licht im sichtbaren Bereich eignet sich nur bedingt für lange Übertragungswege. Das Fraunhofer ILT setzt daher auf einen eigenen Quantenfrequenzkonverter, der die Photonen verlustarm ins Telekom-Spektrum bei 1.550 Nanometern verschiebt.

„Für den Austausch der Überlagerungszustände zwischen den Netzknoten müssen wir so viele Photonen wie irgend möglich ans andere Ende der Leitung bringen“, erklärt Jungbluth. Die Entwicklung entsprechender Laser, Optiken, Einzelphotonenquellen und Detektoren bildet daher den Schwerpunkt der künftigen Arbeiten.

Vom Labor zum Netzwerk

Der neue Knoten ist mehr als ein Demonstrator: Er ist Startpunkt für ein offenes Entwicklungsumfeld, das sich nicht nur an Partner in Nordrhein-Westfalen richtet, sondern an europäische Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Ziel ist die Abstimmung von Schnittstellen, Protokollen und Komponenten – mit Blick auf Kompatibilität und industrielle Nutzung.

„Damit leistet das Fraunhofer ILT einen konkreten Beitrag zur europäischen Vernetzung – wie sie auch die Quanteninternet Alliance verfolgt“, so Jungbluth. „Perspektivisch ist es angedacht, ihn in ein Metropolitan Scale Quantum Network einzubinden.“

Aktuell steht die Erprobung im Vordergrund – und die Miniaturisierung der photonischen Schlüsselbausteine. In Kooperation mit der RWTH Aachen wird auch an Schnittstellen zu anderen Qubit-Plattformen gearbeitet, etwa für künftige hybride Netzwerke aus supraleitenden und photonischen Systemen.

Herausforderung: Präzision im Nanometerbereich

Der Aufbau eines Quanteninternets erfordert enorme Präzision: Photonen müssen in exakt gleicher Phase an zentralen Detektoren eintreffen. Schon minimale Temperaturschwankungen, Magnetfelder oder externe Lichtquellen können die empfindliche Verschränkung stören. Die nötige Stabilität erfordert höchste Qualität in allen Komponenten.

Deutschland und Europa bringen dafür gute Voraussetzungen mit: Jahrzehntelanges Know-how in Optik, Laserfertigung, Messtechnik und Packaging. Gerade NRW mit seiner Hochschuldichte und photonischen Industrie rechnet sich gute Chancen aus.

„Wir selbst werden unsere Kompetenzen am Fraunhofer ILT nutzen, um photonische Enabling Technologies und Subsysteme weiterzuentwickeln“, betont Jungbluth. Unterstützt wird das Team auch durch das niederländische Spin-off Delft Networks – mit Expertinnen wie Stephanie Wehner und Ronald Hanson, die Pionierarbeit in der Quantenverschränkung geleistet haben.

Vom 24. bis 27. Juni 2025 präsentieren sich die Akteure des ILTauf der World of Quantum in München. Dort wird deutlich werden: Das Quanteninternet ist kein ferner Traum mehr. Es nimmt konkrete Gestalt an.


Kurzinfo: Quanteninternet am Fraunhofer ILT

  • Ort: Aachen, Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT)
  • Partner: TNO, RWTH Aachen, Delft Networks
  • Technologie: NV-Zentren in Diamanten, Einzelphotonenquellen, Quantenfrequenzkonverter
  • Ziel: Aufbau und Test eines photonischen Netzknotens für das Quanteninternet
  • Fokus: Miniaturisierung, Schnittstellen, Interoperabilität photonischer Systeme
  • Bedeutung: Beitrag zu sicherer Quantenkommunikation und europäischer Netzwerkinfrastruktur
  • Besonderheit: Offene Testplattform für Forschung und Industrie in NRW und Europa
  • Zukunft: Einbindung in Metropolitan- und EU-weite Quantennetzwerke
  • Anwendung: Remote-Zugriff auf Quantencomputer, anonymisierte Kommunikation, Blind Quantum Computing
  • Präsentation: World of Quantum 2025 in München

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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