Strom zum Schlucken: Erste probiotische Batterie entwickelt

Strom zum Schlucken: Erste probiotische Batterie entwickelt

Probiotische Bakterien sind nicht nur Power-Food, manche von ihnen können auch Strom erzeugen – das macht sie interessant für Einmal-Elektronik, die im Körper eingesetzt werden kann.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


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Diese Nachricht wird sich in 10 Sekunden selbst zerstören!„: In Blockbustern à la „Mission Impossible“ lösen sich Spionagegeräte nach dem Einsatz komplett in Rauch auf – in der Wirklichkeit dagegen bleibt in der Regel Elektroschrott übrig. Doch was wäre, wenn sich elektronische Bauteile tatsächlich spurlos auflösen könnten? Ein Forschungsteam um den Ingenieurwissenschaftler Seokheun “Sean” Choi von der Binghamton University hat nun einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gemacht: eine biologisch verträgliche Batterie, die sich vollständig auflösen kann – und dabei mit Hilfe von Probiotika Strom liefert.

Strom aus freundlichen Mikroben

Dass Elektronik für den Einmalgebrauch, sogenannte „transiente Elektronik“, in medizinischen und umweltbezogenen Anwendungen sinnvoll wäre, ist längst bekannt. Doch das Problem war stets die Stromquelle. Herkömmliche Batterien enthalten giftige Metalle und sind damit alles andere als biokompatibel.

Transiente Elektronik kann für biomedizinische und Umweltanwendungen genutzt werden, aber sie muss sich auf eine biosichere Weise auflösen.“ erklärt Choi. „Man möchte keine giftigen Rückstände im Körper haben. Solche Geräte nennt man bioresorbierbare Elektronik.

Choi und sein Team entwickelten in den letzten Jahren bereits sogenannte Biobatterien mit elektrizitätserzeugenden Mikroben. Doch deren Sicherheitsprofil ließ Zweifel offen – besonders bei Anwendungen im menschlichen Körper oder in sensiblen Ökosystemen. Also suchte das Team nach einer harmloseren Alternative: Probiotika.

Von Joghurtkulturen zur Energiequelle

Probiotika sind Mikroorganismen, die etwa in Joghurt enthalten sind und als gesundheitlich unbedenklich gelten. Doch können sie auch Strom erzeugen? Diese Frage stellte sich Choi gemeinsam mit seiner Doktorandin Maryam Rezaie, die das aktuelle Projekt leitete.

Es ist gut dokumentiert, dass Probiotika sicher und biokompatibel sind – aber wir wussten nicht, ob sie auch Strom erzeugen können.“ sagt Choi. „Es gab Zweifel, deshalb hat sie viele Experimente dazu durchgeführt.

Tatsächlich fielen erste Ergebnisse enttäuschend aus – die Stromausbeute war zu gering. Doch die Forschenden gaben nicht auf.

Ein Boost für die Bioenergie

Um die Leistungsfähigkeit der Probiotika zu verbessern, beschichtete das Team die Elektroden der Batterie mit einem speziellen Polymer und Nanopartikeln. Dadurch wurde die Oberfläche porös und rau – ideale Bedingungen für Mikroben, um sich anzusiedeln und Strom zu erzeugen. Die so behandelten Elektroden steigerten die sogenannte „elektrogene“ Aktivität der Probiotika spürbar.

Ein weiterer Clou: Die Batterie ist in Papier eingebettet, das mit einem Polymer beschichtet wurde, das sich nur in saurem Milieu auflöst – etwa in verschmutzter Umgebung oder im Verdauungstrakt. So kann die Energiequelle gezielt dort aktiv werden, wo sie gebraucht wird.

Erstes Glimmen einer großen Idee

Zwar bleibt die erzeugte Energiemenge noch bescheiden, doch für Choi zählt der konzeptionelle Durchbruch: eine Batterie, die nicht nur biologisch abbaubar, sondern auch sicher und potenziell essbar ist.

Wir haben eine Mischung aus Probiotika verwendet – aber ich möchte untersuchen, welche davon die elektrischen Gene besitzen und wie sich deren Zusammenspiel auf die Stromproduktion auswirkt.

In dieser Studie haben wir nur eine einzelne Einheit der Biobatterie entwickelt. Ich möchte künftig mehrere Einheiten in Serie oder parallel schalten, um die Leistung zu steigern.

Künftig könnten ganze Batteriezellen in Reihe oder parallel geschaltet werden, um mehr Leistung zu erzielen. Perspektivisch denkbar: smarte Pflaster, die sich im Körper auflösen, oder Umwelt-Sensoren, die nach getaner Arbeit einfach verschwinden.

Technik, die sich in Luft auflöst

Die Idee von verschwindender Elektronik ist nicht nur für Science-Fiction-Fans reizvoll, sondern auch ein Beitrag zur Lösung realer Umweltprobleme. Mit ihrer probiotischen Batterie könnten Choi und sein Team den Grundstein für eine neue Ära der Elektronik legen – eine Ära, in der Stromspender nicht aus Metall, sondern aus Mikroben bestehen. Die Forschenden haben gezeigt: Auch kleine Organismen können Großes bewirken.


Kurzinfo: Probiotische Biobatterie

  • Entwickler: Seokheun “Sean” Choi, Binghamton University
  • Energiequelle: Mischung aus 15 ungefährlichen Probiotika
  • Trägermaterial: Auflösbares Papier, beschichtet mit pH-sensitivem Polymer
  • Vorteile: biologisch abbaubar, ungiftig, biokompatibel
  • Einsatzgebiete: Umweltüberwachung, medizinische Implantate, Einmal-Elektronik
  • Innovation: Poröse Elektrode mit Polymer-Nanopartikel-Beschichtung zur Leistungssteigerung
  • Leistung: derzeit geringe Energieausbeute, aber ausbaufähig durch Parallelschaltung
  • Ziel: sichere, essbare Stromquellen für temporäre Elektronik

Orginalpublikation:

Maryam Rezaie et al.,
„Dissolvable Probiotic-Powered Biobatteries: A Safe and Biocompatible Energy Solution for Transient Applications“,
in: Small (26 March 2025)

DOI: 10.1002/smll.202502633

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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