Der industrialisierte Norden braucht sie, der globale Süden hat sie: der Wettlauf um kritische Mineralien und seltene Erden heizt geopolitische Konflikte an – eine gemeinsame Verwaltung der Bodenschätze könnte die Lösung sein.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Die Energiewende braucht sie. Die Digitalisierung auch. Und die Geopolitik hat sie längst als Druckmittel entdeckt: kritische Mineralien wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden. Inmitten wachsender Spannungen auf den Weltmärkten schlägt ein internationales Forschungsteam unter Federführung der Vereinten Nationen nun einen radikalen Kurswechsel vor: Einen globalen Treuhandfonds, der zentrale Rohstoffe nicht länger dem freien Markt überlässt, sondern als gemeinsames Gut der Menschheit verwaltet.
Kooperieren statt konkurrieren
Die Idee: Ein multilateraler Mechanismus, der Rohstoffflüsse steuert, faire Preise fördert und Handelskrisen vermeidet. Die Hoheit über die eigenen Vorkommen bliebe bei den Staaten. Doch sie verpflichten sich, die Nutzung dieser Ressourcen an gemeinsame Nachhaltigkeitsziele zu koppeln – und Konflikte zu vermeiden.
„Ohne einen gemeinsamen Rahmen riskieren wir, globale Ungleichheiten zu verschärfen, Ressourcenkonflikte auszulösen und unsere Klimaziele zu gefährden,“ warnt Prof. Saleem Ali, Hauptautor des Vorschlags und Experte für kritische Mineralien am UN-Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit. „Ein Globaler Minerals Trust würde neue Wege der internationalen Zusammenarbeit eröffnen – jenseits von politischem Kalkül.“
Die Idee basiert auf zwei aktuellen Veröffentlichungen: einem Policy Brief der UN-Universität und einem Fachbeitrag in der Zeitschrift Science. Beide fordern ein Umdenken im Umgang mit mineralischen Rohstoffen – weg vom Wettbewerb, hin zur Verantwortung.
Kanada als Brückenbauer?
Angestoßen wurde der Vorschlag im Vorfeld des G7-Gipfels im kanadischen Kananaskis. Dort sehen die Forschenden eine Gelegenheit, das Konzept erstmals auf höchster politischer Ebene zu diskutieren. Kanada sei dabei ein potenzieller Vermittler – mit seiner Erfahrung im verantwortungsvollen Bergbau, seiner Rolle als AI-Vorreiter und seinem multilateralen Engagement.
„Kritische Mineralien sind das Rückgrat der vierten industriellen Revolution – doch aktuell dominieren Systeme, die Ausbeutung und Ausgrenzung belohnen, statt Kooperation und Nachhaltigkeit“, sagt Prof. Kaveh Madani, Direktor des UN-Instituts und Mitautor. „Wir müssen das fragmentierte, extraktive Modell ersetzen – durch eines, das auf Gerechtigkeit und Resilienz setzt.“
Eine neutrale Plattform für grüne Zukunft
Der geplante Trust wäre keine globale Rohstoffbehörde, sondern ein Koordinationsmechanismus: für Preisstabilität, für transparente Handelsstrukturen und für Investitionen in Kreislaufwirtschaft und Recycling. Auch strategische Vorräte und Leasingmodelle für Mineralien könnten unter seinem Dach entwickelt werden – als Puffer gegen Lieferengpässe und zur Reduktion ökologischer Schäden.
Vorbildcharakter hätten internationale Modelle wie die Atomenergiebehörde IAEA, deren unabhängige Kontrollmechanismen als Blaupause dienen könnten. Gleichzeitig betonen die Autorinnen und Autoren: Entscheidungsprozesse müssten inklusiv sein – auch rohstoffreiche Länder des Globalen Südens müssten frühzeitig eingebunden werden.
Globale Verantwortung statt geopolitisches Schachspiel
Hinter dem Vorschlag steht nicht nur die Sorge um Handelskriege und Preissprünge, sondern auch eine ethische Haltung: Rohstoffe der grünen Transformation sollen nicht zum neuen „Öl des 21. Jahrhunderts“ werden – also zu geopolitischen Machtinstrumenten oder Kriegsgründen.
„Mineralien für die Energiewende dürfen nicht gehortet, instrumentalisiert oder umkämpft werden“ mahnt Madani. „Dies ist unsere Chance, von Ausbeutung zu Fürsorge zu wechseln – und von Fragmentierung zu Fairness.“
Vom Ressourcenfluch zur Ressourcenethik
Ob der Global Minerals Trust Wirklichkeit wird, hängt nun von der politischen Resonanz ab – nicht zuletzt beim G7-Gipfel. Klar ist: Die Welt braucht einen neuen Umgang mit den Grundstoffen ihrer Zukunft. Und das nicht nur, weil der Wettbewerb um Kobalt, Lithium & Co. härter wird, sondern weil nachhaltige Entwicklung gerechte Strukturen braucht.
Die Botschaft der Forschenden ist eindeutig: Rohstoffe gehören niemandem allein – sie betreffen uns alle. Und ihre Verteilung sollte kein Wettlauf sein, sondern ein kollektiver Auftrag.
Kurzinfo: Global Minerals Trust – Was steckt dahinter?
- Ziel: Kooperative, transparente Verwaltung kritischer Mineralien
- Initiiert von: UN University Institute for Water, Environment and Health
- Rohstoffe: Lithium, Kobalt, Nickel, Seltene Erden u.a.
- Mechanismen: Transparente Preisbildung, Kontrollinstanzen, gemeinsame Investitionen
- Vorbild: Internationale Atomenergiebehörde (IAEA)
- Souveränität: Staaten behalten Ressourcenhoheit
- Fokus: Nachhaltigkeit, Fairness, Klimaziele
- Vorgeschlagen für: G7-Gipfel 2025 in Kanada
- Potenzial: Reduktion von Handelskonflikten, Förderung globaler Kreislaufwirtschaft
Originalpublikationen:
- Ali, S. H., Franks, D. M., Puppim de Oliveira, J. A., Madani, K., Gaffney, O., Anggraini, E., Wantchekon, L., Zeng, X. (2025): „Global Minerals Trust could prevent inefficient and inequitable protectionist policies“ Science. DOI: https://doi.org/10.1126/science.adv9841
- Ali S. H., Aczel M. R., Madani K. (2025): „Building a Global Minerals Trust for a Just Green Transition“, United Nations University Institute for Water, Environment and Health (UNU-INWEH), Richmond Hill, Ontario, Canada. DOI: https://doi.org/10.53328//INR25SAL004
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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