Bauen ohne Plan: Robots lernen von Bienen

Bauen ohne Plan: Robots lernen von Bienen

Mit einfachen Regeln komplexe Dinge herstellen – das ist in der Natur gang und gäbe – von Bienenwaben bis zu Termitenbauten. Die Robotik lässt sich davon jetzt inspirieren, und setzt auf autonome Schwärme von Baumaschinen, die ganz ähnlich arbeiten.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Man stelle sich eine Baustelle vor, auf der kein Bauleiter Anweisungen gibt, kein Bauplan existiert – und dennoch entsteht eine präzise, stabile Struktur. Genau dieses Szenario haben Forscher der University of Pennsylvania nun im Labor simuliert: mit einem Schwarm virtueller Roboter, die bauen wie Bienen – ganz ohne Blaupause.

Bauen nach Instinkt, nicht nach Plan

In der Natur sind es Insekten wie Ameisen, Termiten oder Honigbienen, die komplexe Strukturen errichten, ohne dass je ein Bauplan entworfen wurde. Die Tiere reagieren lediglich auf einfache Umweltreize: Ist ein Tunnel warm genug? Liegt Material in der Nähe? Aus diesen lokalen Reaktionen entsteht ein globales Bauwerk – ein Prinzip, das Wissenschaftler um Jordan Raney und Mark Yim jetzt auf die Robotik übertragen haben.

Was wir entwickelt haben, ist ein erster Schritt hin zu einer neuen Denkweise in der Produktion“, erklärt Jordan Raney, Professor für Maschinenbau. „Selbst 3D-Drucker arbeiten sequenziell und anfällig: Ein verstopfter Düsenkopf kann alles ruinieren.

Robustheit durch Verzicht auf Kontrolle

In ihrer Simulation entwarfen die Forscher einfache Roboter, die lediglich auf ihre direkte Umgebung reagieren. Kein einziger hatte eine Vorstellung vom Gesamtbild. Und dennoch: In ihren Bewegungen und Entscheidungen – links oder rechts drehen, vorwärts gehen, stoppen – entstand Stück für Stück eine stabile, wabenartige Struktur.

Das wirklich Neue an unserem Ansatz ist, dass er ganz ohne zentralen Plan auskommt“, sagt Mark Yim, Leiter des GRASP Lab an der Universität von Pennsylvania. „Jeder Roboter macht einfach sein Ding – und trotzdem entsteht Ordnung.

Weil alle Roboter gleichzeitig arbeiten, ist der Prozess nicht nur schneller, sondern auch fehlertoleranter. Geht einer verloren, arbeiten die anderen weiter. Kein Schwarm stoppt, nur weil eine Drohne versagt.

Weniger Skript, mehr Verhalten

Anders als in der künstlichen Intelligenz, wo Forscher oft biologische Vorbilder wie das Gehirn modellieren, wollte das Team keine Insekten imitieren. Stattdessen ging es um das abstrakte Prinzip: Komplexität durch Wiederholung einfacher Handlungen.

Uns ging es darum, dass Struktur aus Verhalten entsteht“, sagt Raney. „Nicht, weil ein Roboter weiß, was er da baut, sondern weil er sich konsequent an lokale Regeln hält.

Die Kunst lag darin, die richtigen Regeln zu finden. Sollen Roboter links oder rechts abbiegen, wenn sie auf ein Hindernis stoßen? Wie lange sollen sie geradeaus gehen? Mit nur einem Dutzend solcher Parameter testete das Team zahllose Variationen.

Das Chaos als Konstruktionsprinzip

Entscheidend war am Ende nicht nur die Regel, sondern auch ihr Spielraum: „Je mehr wir Parameter wie den Drehwinkel variierten, desto unterschiedlicher wurden die Strukturen“, so Yim. In anderen Worten: Ein gewisses Maß an Unordnung bringt mehr Vielfalt.

Und das hat handfeste Vorteile. Vorherige Studien von Penn Engineers zeigten bereits, dass unregelmäßige Wabenstrukturen widerstandsfähiger gegenüber Rissen sein können. „Wir haben im Grunde einen Hebel gefunden, um die Geometrie – und damit die Belastbarkeit – zu steuern“, sagt Raney.

Vom Modell zur Mini-Maschine

Noch ist das Ganze ein virtueller Versuch, aber der Sprung in die Realität ist geplant. Zwar gab es erste Prototypen, doch der nächste Schritt soll eine neue Generation winziger Roboter bringen, die in der realen Welt Materialien verarbeiten.

Anfangs stellten wir uns vor, dass die Roboter einfach Linien aus Material ziehen, wie Mini-3D-Drucker“, erklärt Yim. „Aber inzwischen denken wir, dass elektrochemische Prozesse geeigneter wären – die Roboter könnten metallische Strukturen um sich herum wachsen lassen.

Noch fehlt die Technik, um solch autonome Mikro-Baumeister umzusetzen – aber das Prinzip steht. „Die Natur beginnt nicht mit einem Masterplan“, fasst Raney zusammen. „Sie beginnt mit vielen kleinen Aktionen, die zusammen etwas Großes ergeben. Und jetzt lernen wir, genau das nachzumachen.

Die Roboter der Zukunft könnten also nicht nur präzise, sondern auch instinktiv bauen. Und vielleicht ist genau das der Anfang eines völlig neuen Zeitalters der Architektur.


Kurzinfo: Roboter lernen bauen wie die Natur

  • Vorbild: Schwarmverhalten von Bienen, Ameisen, Termiten
  • Keine zentralen Baupläne, stattdessen lokale Verhaltensregeln
  • Grundlage: zwölf Variablen wie Drehradius oder Bewegungslänge
  • Vorteil: robust gegenüber Fehlern einzelner Roboter
  • Ziel: Bauprozesse vor Ort, schneller, widerstandsfähiger, fehlertoleranter
  • Nächster Schritt: reale Miniroboter mit elektrochemischem Bauverhalten
  • Forschungsteam: Penn Engineering, GRASP Lab
  • Förderung: National Science Foundation (USA)

Originalpublikation:
Jordan Raney,
„Design of nondeterministic architected structures via bioinspired distributed agents“,
in: Science Advances (14-May-2025)
DOI: 10.1126/sciadv.adu8260

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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