Was Wüstenflechten über Leben auf Exoplaneten verraten

Was Wüstenflechten über Leben auf Exoplaneten verraten

Sie haben einen dunklen Teint, und das nicht ohne Grund: schwarze Pigmente schützen Flechten in der Mojave-Wüste gegen UV-Strahlung. So effizient, dass die Symbionten aus Pilzen und Algen wohl auch auf Exoplaneten überleben könnten. Leben im All? So könnte es aussehen!

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


In der Mojave-Wüste färbt sich das Leben dunkel. Zwischen Gestein und Sand wächst eine unscheinbare Flechte, nicht grün, sondern tiefschwarz. Sie wirkt unspektakulär – doch in ihr schlummert ein biologisches Wunder. Eine neue Studie zeigt: Diese Wüstenflechte trotzt selbst tödlicher UV-Strahlung. Und sie liefert Hinweise darauf, dass Leben auch auf fernen Planeten existieren könnte – selbst unter Bedingungen, die lange als unbewohnbar galten.

UVC: tödlich für viele, überlebbar für einige

Licht ist Leben – doch es kann auch töten. Besonders UVC-Strahlung gilt als lebensfeindlich. Auf der Erde filtert die Atmosphäre diesen Anteil heraus. Doch viele sogenannte erdähnliche Exoplaneten umkreisen Sterne, die genau diese kurzwellige Strahlung in hohen Dosen aussenden. Für viele Astrobiologinnen und Astrobiologen war das lange ein Ausschlusskriterium: Leben dort? Undenkbar.

Das dachte auch Henry Sun, Mikrobiologe am Desert Research Institute (DRI) in Nevada – bis ihm bei einem Spaziergang im Wüstensand etwas auffiel: „Ich war unterwegs und habe mich gefragt, warum diese Flechten schwarz sind. Sie enthalten Chlorophyll, also müssten sie eigentlich grün sein. Also fragte ich mich: Was für ein Pigment tragen sie da?

Die beste Sonnencreme der Natur

Die Antwort verblüffte das Forschungsteam: Es ist nicht irgendein Pigment – sondern ein hochwirksamer, natürlicher UV-Blocker. In Laborexperimenten wurde die Flechte Clavascidium lacinulatum drei Monate lang einer künstlichen UVC-Lampe ausgesetzt. Trotz dieser extremen Bestrahlung überlebte rund die Hälfte der Algenzellen – und konnte sich nach der Rehydrierung sogar vermehren.

Damit ein Mikroorganismus auf einem Planeten überleben kann, muss er länger durchhalten als nur einen Tag“, sagt Sun. „Deshalb war unser Experiment langfristig angelegt – und wir wollten nicht nur Aktivität, sondern echte Lebensfähigkeit zeigen.

Die Haut der Flechte

Worin liegt dieses Überleben begründet? Chemische Analysen und mikroskopische Querschnitte offenbarten eine überraschende Architektur: Die oberen Schichten der Flechte – kaum einen Millimeter dick – sind dunkel eingefärbt, wie eine natürliche Sonnenbräune. Darunter liegen die empfindlichen Algenzellen, eingebettet in eine schützende Hülle aus Flechtensäuren.

Diese organischen Säuren wirken wie UV-Stabilisatoren, ähnlich jenen Zusätzen, mit denen Kunststoffe lichtbeständig gemacht werden. „Diese obere Schicht – man könnte sie eine Haut nennen – schützt die Zellen darunter nicht nur vor Licht, sondern auch vor schädlichen Reaktionen mit Sauerstoff“, erklärt Sun. Die Forscher testeten das auch in einer sauerstofffreien Umgebung – mit dem Ergebnis, dass der Strahlenschaden sogar noch geringer ausfiel.

Ein Zufall der Evolution – mit extraterrestrischem Potenzial

Dabei ist dieser Schutz auf der Erde eigentlich gar nicht nötig: UVC-Strahlung trifft hier gar nicht auf den Boden. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Flechten erst lange nach der Bildung der schützenden Ozonschicht entstanden. Der Sonnenschutz sei also ein evolutionärer Bonus, so Sun – ein Geschenk der Natur, das sich nun als Türöffner für neue Erkenntnisse entpuppt.

Nach dem Start des James-Webb-Teleskops hat sich der Fokus verlagert – weg vom Mars, hin zu Exoplaneten mit flüssigem Wasser und Atmosphäre“, sagt er. Die Erkenntnisse aus der Mojave-Wüste legen nahe: Auch auf diesen fernen Welten könnte Leben existieren – angepasst, gepanzert, kolonial.

Leben jenseits des Wahrscheinlichen

Für Tejinder Singh, den Mitautor der Studie und heutigen Astrobiologen am NASA Goddard Space Flight Center, ist das Ergebnis ein Hoffnungssignal für die Suche nach außerirdischem Leben. „Diese Arbeit zeigt die erstaunliche Zähigkeit des Lebens – selbst unter den härtesten Bedingungen. Es ist ein Beweis dafür, dass Leben, einmal entfacht, sich behaupten will.

Die schwarzen Flechten der Mojave sind damit mehr als ein botanischer Kuriosität – sie sind ein Modell für eine Welt, die noch keiner gesehen hat. Eine Welt, in der Leben möglich ist. Selbst unter Sternen, die stärker brennen als unsere Sonne.


Kurzinfo: Flechte trifft Forschung

  • Studienobjekt: Clavascidium lacinulatum, eine schwarze Wüstenflechte
  • Fundort: Mojave-Wüste bei Las Vegas
  • Strahlungstest: 3 Monate unter künstlicher UVC-Bestrahlung
  • Ergebnis: 50 Prozent der Algenzellen überlebten und vermehrten sich
  • Schutzmechanismus: Pigmente und Flechtensäuren bilden UV-resistente Schicht
  • Bedeutung: UVC-resistentes Leben könnte auf Exoplaneten existieren
  • Studienleiter: Henry Sun (DRI) & Tejinder Singh (NASA Goddard)

Originalpublikation:
Christos Georgiou et al.,
„UVC-Intense Exoplanets May Not Be Uninhabitable: Evidence from a Desert Lichen“,
in: Astrobiology (12-Jun-2025)

DOI: 10.1089/ast.2024.0137
https://doi.org/10.1089/ast.2024.0137

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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