Klick auf Gebraucht: Re-Commerce boomt

Klick auf Gebraucht: Re-Commerce boomt

Nicht nur von Privat zu Privat wechseln gebrauchte Waren

online den Besitzer – auch immer mehr kommerzielle Plattformen setzen auf den Verkauf von „Refurbished“-Produkten, generalüberholt und oft sogar mit Garantie.

(Redaktion/PiPaPu)


Online heißt nicht immer: brandneu. Der Markt für Second-Hand- und wiederaufbereitete Produkte boomt nämlich nicht nur auf Flohmärkten oder Kleinanzeigen-Plattformen – sondern auch im professionellen E-Commerce. Eine neue Studie des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) zeigt: Re-Commerce ist mitten in der Gesellschaft angekommen – und könnte zum Zugpferd der Kreislaufwirtschaft werden.

Jeder Zweite klickt gebraucht

Die Zahlen sind eindeutig: 55 Prozent der befragten Konsumentinnen und Konsumenten haben im letzten Jahr gebrauchte Waren online gekauft, 52 Prozent haben selbst verkauft. Besonders beliebt sind Mode, Bücher und Elektronik. Das zeigt eine repräsentative Erhebung mit über 1.900 Teilnehmern, durchgeführt vom Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes gemeinsam mit dem ibi research Institut.

Der Kauf- und Verkauf von Gebrauchtwaren im Internet gehört bei vielen inzwischen zum Alltag“ , sagt Prof. Bastian Popp, der die Studie gemeinsam mit Laurin Krempel geleitet hat. „Für Anbieter bietet das Geschäftsmodell neue Chancen – vor allem online, aber auch im stationären Handel.

Nachhaltig? Ja. Aber bitte auch günstig

Re-Commerce sei mehr als ein grüner Trend, betont Daniela Bleimaier vom bevh. Die Kundschaft entscheide sich nicht nur aus Überzeugung für gebrauchte Produkte – sondern auch aus Kalkül: Preis-Leistungs-Verhältnis, Ersparnisse und Zugang zu höherwertigen Artikeln motivieren den Kauf mindestens genauso stark wie ökologische Überlegungen.

Re-Commerce ist der Gegenentwurf zur Wegwerfmentalität. Er zeigt, dass preisbewusstes Einkaufen auch nachhaltig sein kann“ , sagt Bleimaier. Besonders in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten ermögliche er Konsum ohne schlechtes Gewissen – und schaffe zudem lokale Wertschöpfung in Zeiten global angespannter Lieferketten.

Vom Hobby zum System

Was früher vor allem Peer-to-Peer auf Kleinanzeigenbörsen stattfand, wird inzwischen zunehmend von professionellen Akteuren übernommen. Viele Onlinehändler bauen eigene Re-Commerce-Sparten auf – inklusive Rücknahme, Garantie und Wiederaufbereitung. Damit entsteht eine neue Verwertungsschleife, bei der Produkte systematisch geprüft, aufgearbeitet und wiederverkauft werden.

Der Gesamtumsatz des deutschen Re-Commerce lag 2024 bei 9,9 Milliarden Euro – ein Plus von 7,2 Prozent zum Vorjahr. Europaweit wird das Marktvolumen auf rund 120 Milliarden Euro geschätzt – mit starkem Wachstum.

Die Umwelt profitiert mit: Bei der Herstellung von Kleidung und Elektronik fallen über 70 beziehungsweise 80 Prozent der CO₂-Emissionen an. Wiederverwertung kann diese Bilanz um bis zu 80 Prozent verbessern.

Bremsklotz Gesetzgebung

Trotz des Booms sehen die Studienautor:innen auch politische Versäumnisse. Rechte, Pflichten und Definitionen im Re-Commerce sind bisher nur unzureichend geregelt. Unklare Gewährleistungspflichten, steuerliche Hürden und fehlende Standards erschweren vielen Anbietern das Geschäft.

Re-Commerce wird von der Politik immer noch nicht als Teil der ökologischen Transformation gesehen und bei der Gesetzgebung zu selten mitbedacht“ , kritisiert Bleimaier. Es brauche Gütesiegel, einheitliche Produktpässe, klare Begrifflichkeiten und steuerliche Anreize, etwa durch reduzierte Mehrwertsteuer für wiederaufbereitete Produkte.

Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

Die Branche selbst sieht Re-Commerce längst als strategischen Baustein – auch zur Kundenbindung und Positionierung. Gleichzeitig nimmt der Wunsch nach nachhaltigem Konsum im Alltag weiter zu, insbesondere bei jungen und einkommensstarken Zielgruppen.

Ob das Potenzial jedoch voll ausgeschöpft wird, hängt nun maßgeblich vom politischen Rahmen ab. Die Richtung ist klar: Vom Wegwerf- zum Wiederverwertungssystem. Und der Onlinehandel – so die Studie – ist dabei nicht Hindernis, sondern Hebel.


Originalpublikation:
Studie „Relevanz und Perspektiven des Re-Commerce für den deutschen Handel“
https://bevh.org/daten-studien/re-commerce

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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